
strirte Böcke mehr Fett, aber viel weniger Flaum, nicht ca-
strirte dagegen mehr Flaum und weniger Fett bildeten. *)
Es fragt sich nun, welche von diesen Theorien als die der
Erfahrung am meisten entsprechende, und mit unserm gegenwärtigen
Stande der Wissenschaft übereinstimmendste fest
zu halten sey? Der besonnene Kritiker wird keine ganz unbedingt,
d. h. so verwerfen können, dass er sie durchaus für eine
leere Hypothese halten muss. Dem Principium glutinosum des
Hi p p o c r a t e s , den Vapores J'uliginosi des G a le n ’s, dem Ex-
crementum tertiae coctionis des Spigel ius, liegen eben so einige
gute Beobachtungen zu Grunde als der Facultas formativa et
pilißca der spätem Anatomen und Physiologen. Niemand wird
jedoch zweifeln, dass Mal p i g h i der Mann war, dem in dieser
Sache vor allen das Lob gebührt; dass er es war, der, nachdem
er die Structur der Haare mit einer Geschicklichkeit und
Genauigkeit zergliedert hatte, woran er nicht nur alle seine
Vorgänger übertraf, sondern auch der Nachwelt noch lange
als Muster diente; der sag ich am Ende diese sonst so ergiebigen
Untersuchung dennoch seine Unwissenheit über die eigentliche
Erzeugung der Haare frey und offen eingesteht; er, der
am meisten Ursache und Gewicht gehabt hätte, eine Hypothese
aufzustellen. Dass er aber keine aufstellte, macht ihn mir nur
um so verehrlicher. — In Gl i s son finden wir schon eine
starke Spur der verschieden modificirten Lebenskraft, durch
welche dann zuletzt die Haare erzeugt werden sollen, und
seine Ansicht hat mich sogleich an den Bildungstrieb unsers
Bl umenba c h erinnert. Di eme r b r o e k nähert sich schon
mehr der heuttagigeu Ansicht über organische Bildung überhaupt,
indem er angibt, dass die Haare aus dem Theile, wo
sie sind, ihren eigenthümlichen Nahrungssaft ziehen. Dass und
wie der kunsterfahrne Ruy s ch die Haare von den Nervenpa-
pillen der Haut entspringen lassen konnte, ist mir wahrlich
noch immer ein Räthsel. Mo r g a g n i scheint sich im Ganzen
gar nicht, oder wenigstens nicht viel mit der Untersuchung der
Haare abgegeben zu haben, sonst könnte er unmöglich die Ansichten
eines M a l p i g h i , Ch i r a c und Ruysch haben vereinigen
wollen. — Es ist sehr zu bedauern, dass A lb in sich
hauptsächlich und fast bloss mit dem Durchbruch des Haars
durch die Oberhaut beschäftigt hat.
*) Annales de l ’Agriculture francaise. Janvier 1822. p. 29.
Nach ihm gab man sich wenig Mühe, um die Materie zu
entdecken und zu bestimmen, aus welcher die Haare zunächst
gebildet werden sollten. Diess rührte offenbar daher, weil man
die Bildung der Haare als etwas Unwichtiges betrachtete, und
sie also auch dem Lebensprocess der übrigen Organe unterordnete,
mithin nach der Theorie dieses erklärte.
Wir haben oben gesehen, dass man schon zu den Zeiten
Boe r h a a v e ’s der Haarzwiebel Gefässe zuschrieb. Dieses Factum
war hinreichend, um damals, wo man den Säften die
Hauptrolle in der thierischen Oekonomie zugedacht hatte, die
Bildung der Haare nach Genügen zu erläutern. Man war überzeugt,
dass Blut zu den Haarbälgen geführt wird, und begnügte
sich mit dem Gedanken, dass aus diesem Blute das Haar seine
Nahrung ziehe. Niemand kümmerte sich um das eigentliche
wie, die Sache ward für zu geringfügig geachtet. Auch gab
es wieder manche angesehene Männer, die das Daseyn von solchen
Blutgefässen desshalb läugneten, weil sie die Kunst nicht
verstanden, selbe künstlich darzustellen. So schlummerte die
Sache bis auf die neueste Zeit, wo der mehrerwähnte Herr Professor
He u si n ge r seine Hypothese der Entstehung der Haare
aus Pigment aufstellte.
Was nun eigentlich meine Ansicht von diesem Gegenstände
betrifft, so habe ich hinreichende Gründe, mit derselben
Offenheit wie Malp i gh i undBi ch at , meine Unwissenheit
zu gestehen. Ich hoffe nicht, dass es Jemanden gäbe, der mir,
wie es schon manchem geschehen ist, dieses Bekenntniss übel,
und namentlich so auslegte, als wenn ich dabey die Hände in
den Schoss gelegt, und mir also die Sache recht bequem gemacht
hätte. Ich lebe in der sichern Ueberzeugung, dass Jeder,
der Lust und Liebe hat, über das geheime Wirken der
Natur Hypothesen zu schaffen, gerade in diesem meinem Wirken
in Bezug auf die Haarbildung den reichhaltigsten Stoff dazu
finden werde. Uebrigens ist der obige Ausspruch meiner
Unwissenheit nicht im ganzen Umfange des Wortes zu nehmen,
vielmehr glaube ich selbst etwas weniges beygetragen zu
haben, was über die Haarbildung einigen Aufschluss geben
kann. Zuvörderst habe ich ausser allem.Zweifel gesetzt, dass
die Haarbälge durchaus mit arteriellem Blute versorgt werden
; ja ich habe sogar nachgewiesen, dass nicht nur alle
Häute des Balges, sondern selbst die Zwiebel und der Anfang
des Haarschaftes mit Einspritzungsmasse, also auch mit Blut
Eble’s Lehre von d, Haaren II. Bd,