
Dr. Samue l Led e l *) sah eine Edelfrau mit einem Barte.
Eine andere gemeine Weibsperson hatte einen weissen Bart,
noch eine andere, aber geile Dirne einen schwarzen Knebelbart.
Im Museo Aldrovandi ist das Bild einer F rau, die dem
sehr bärtigen Helvetus ganz ähnlich ist, und im Gynecaeo des
Erzherzogs von Oesterreich war nach Ba r t h o l i n ’s Angabe
eine 30jährige Jungfer, die schon von Jugend auf vor ihrer
Menstruation einen Bart und Schnurrbart hatte. Am merkwürdigsten
unter allen dürfte jedoch die Geschichte der b ä r t i g e n
Dr e s d n e r J u n g fe r seyn, welche M ic hael i s * **) umständlich
angibt, und die ich hier durch eine getreue und colo-
rirte Abbildung der Vergessenheit entreissen will.
Vergleiche Tab. XIV. Fig. 166.
Dieser behaarten Jungfer wuchs noch an beyden Seiten
des Kinnes ein so starkes Wollhaar, dass man es abschneiden
musste. Damals that sie diess jeden Monat zweymal, als sie älter
wurde, wöchentlich einmal, endlich auch zweymal. Sie
suchte diesen Bart lange zu verbergen; als sie aber krank ins
Spital nach Dresden kam, wuchs der Bart zu einer solchen
Grösse, dass es allgemeines Aufsehen erregte. Damals war sie
64 Jahre alt, und zwey Wochen lang nicht rasirt worden.
Sonst bewiess sie sich sehr unerschrocken, ihre Stimme war
kräftig, und ihr Geist ebenfalls stark. Manchmal schien sie etwas
traurig, mürrisch; übrigens ass sie gern rohen Speck und
Fett. Auch das gekochte Gekröse und die Eingeweide desKal-
bes liebte sie, und trank immer Wein darauf. Obgleich sie so
gefrässig, ja unersättlich war, hatte sie doch einen ruhigen
Schlaf, und eine regelmässige monatliche Periode. Im Spital
zeigte sie sogar Neigung zu den neben ihr liegenden Männern,
und noch krank schlug sie mit beyden Händen auf ihren Bauch
wie auf eine Trommel. Ihre Schamhaare waren nicht sehr
lang, aber dicht; Brust- und Nabelgegend glatt; keine Spur irgend
einer Zwitterbildung. Besonders merkwürdig aber ist es,
dass der Bart nur auf den beyden Seiten des Kinns hervorwuchs
, in der Mitte aber, und am vordem Theile desselben,
so wie auch am obern Theil des Unterkiefers kein Haar zum
Vorschein kam. Auf der Oberlippe waren die Haare kaum einen
halben Zoll lang, und schwärzlich, auf der Seite des Kinnes
OBserv. 48» Act. acad. nat, cur. pars 15ta.
**) In den Actîs Acad. n. c, Yol. III . OBserv. 127.
massen sie drey Zoll, und waren schneeweiss. Am untern Ende
des Kinnes standen beyderseits kurze Haare, an Farbe und
Länge denen unter der Nase gleich. Ueber dem Kinn war sie
ganz glatt. Das Bild ist genommen nach dem Originalgemälde
das in der Gallerie des Königs von Pohlen und Churfürsten
von Sachsen vom Jahre 1732 hing. —Ausser diesen finden sich
noch andere Beyspiele bärtiger Frauen bey Rho dius *), und
in den Acten der kaiserl. Academie der Naturforscher**). Eben
daselbst, nämlich im 4*en Bande p. 378 erwähnt Dr. Hoye r
einer würdigen Matrone mit einem schwarzen Männerbarte,
Mystax und Pappus, der so wuchs, dass sie sich jede Woche
zweymal rasiren lassen musste, nquo in deliciis et arnoribus con-
jugalibus marito haberetur.“ Dabey war ihre Stimme rauh, stark
und männlich; das Gesicht und der ganze Körper zeigten Ue-
berfluss an Hitze; die monatliche Reinigung hatte sie nicht,
genoss den Beyschlaf, ohne jedoch Kinder zu bekommen, und
starb SO Jahre alt. — Merkwürdig ist auch der starke Bart der
Margaretha von Oesterreich und der Anna Sophia, welche
der Septem vir Georg Wi l h e lm mit sich führte. ***) —
Endlich soll unter der Regierung der Kaiserinn Ma r i a T h e resia
einWeib viele Jahre lang unter den Hussaren gedient haben,
und sogar wegen ihrer ausserordentlichen Tapferkeit zum
Rittmeister vorgerückt seyn. Sie trug einen gewaltigen Schnauzbart,
und liess sich rasiren. Zuletzt wurde ihr Geschlecht entdeckt,
sie mit 600 Gulden pensionirt, musste jedoch angeloben,
stets eine weibliche Kleidung zu tragen. Mit Recht sagt
also Dr. Phi l i t e s von diesen Weibern, dass sie gleich den
weiblichen Vögeln den Schmuck des männlichen Geschlechts
anlegen, wenn sie einmal ihren weiblichen Charakter verloren
haben.V
on dem genauen Wechselverhältniss zwischen der Menstruation
und dem Erscheinen gewisser aussergewöhnlicher
Haare wird später gehandelt werden.
Auch die Haare der Aug en l i ed er unterscheiden sich
in beyden Geschlechtern. Schon die äussere Hervorragung
der Haut in der Gegend der Augenhraunen ist im Einklang
mit den stärkern Augenbraunenbogen bey Männern dicker,
Centur. III. OBs. 403»
**) Acta physica. tom. 3. obs. 127.
***) K u n z Dissertât, de seraine mulieBri. Lugd, Batav. 1772«
Eble's Lehre von d, Haaren II. Bd. 6