Das S c h a f (Ovis arie s L.) fa n d sich am häufig sten im P fa h lb a u S i p p l i n g e n , wo
es die 3. Ste lle u n te r den H a u s tie re n e in n im m t. Die h ie r g e fu n d en en 119 Teile lassen sich
a u f 20 T ie re beziehen, von denen n u r 8 den Zahnwechsel b eendet haben. S p ä rlic h e Reste
fa n d e n sich in U n te ru h ld in g en , B o dman,W angen.
A u f G ru n d v e rg le ich en d e r Messungen d a r f m an u n s e r M a te ria l zu dem w äh ren d des
N eo lith ik um s w e itv e rb re ite te n k le in en T o r f s c h a f (Ovis a. p a lu str is R ü t i m . ) stellen.
Je d o ch möchte ich annehm en , d aß das H au p tk en n z e ic h en d e r Ra sse n a ch R ü t i m e y e r ,
die flachen z ieg en a rtig en H o rn z ap fen b eider Geschlechter, n u r f ü r das w e i b l i c h e g ilt,
w äh ren d die W id d e r wohl ty p isch e S ch a fh ö rn e r u n d Z ap fen besessen h ab en d ü rfte n . D a fü r
k a n n m an g e lten d machen, d aß bei k e in e r wilden A r t die erwachsenen Böcke je flache
Ho rn z ap fen aufweisen. Au ch bei dem B ü n d n e r Oberlän d e rsch a f, das im m e r wieder als
wenn au ch n ic h t gan z re in e r — Nachkomme des T orfsch a fe s h in g e s te llt w ird , kommen
dem W id d e r na ch G. E u g s t e r (1921), einem S ch ü le r von U. D u e r s t , typ isch e , m itu
n te r so g a r se h r k rä ftig e , H o rn z ap fen zu, was m an vie lfa ch ü b e rseh en zu h ab en scheint.
Im P fa h lb a u S ip p lin g en w u rd en in d e r s e l b e n K u l t u r s c h i c h t (jü n g e re Siedlung)
e in ty p is c h e r W id d e rz ap fen u n d e in flacher Z ap fen v o n einem e rwachsenen S chaf g e fu n den.
Die n a tü rlic h s te A n n ahm e ist, diesen le tz te ren a u f d a s weibliche T ie r u n d n ic h t a u f
eine besondere Ra sse zu beziehen, d a die H a ltu n g von zwei so v e rschiedenen Ra ssen
n eb en e in an d e r u nw ah rsch e in lich ist. Au ch in an d e ren n eolithischen Siedlu n g en w u rd en
g e legentlich neben flachen H o rn z ap fen ty p isch e von W id d e rn gefu n d en (vgl. das h ie rü b e r
S. 27/28 Gesagte). D a s se lten e re Vorkommen m ä n n lic h e r Z ap fen k a n n a u f frü h z e itig e r
Sch la ch tu n g d e r ju n g e n W id d e r b e ru h en , mögen sie n u n a ls Opfer d a rg e b ra c h t oder beseitig
t se in, um die H e rd en ru h ig e r zu h a lte n . Aus dem gleichen G ru n d e ü berwiegen v ie lle
ic h t au ch die weiblichen Z ap fen d e r Ziege in vorge sch ich tlich en Siedlungen. E s be stan d
au ch d am a ls wohl schon die Gewohnheit, sta ttlich e , d. h. m än n lich e Gehörne, a n H ä u s e rn
od e r gewe ih ten O rten au fzu h än g en , wo sie d u rch V e rw itte ru n g b a ld v e rlo ren gingen.
E rw e is t sich die h ie r d a rg e leg te A u ffa s su n g des Geschlechtsunterschiedes beim Torf-
sc h a f a ls ric h tig , so w ä re d am it ein F in g e rz e ig a u f dessen noch im m e r s tr ittig e H e rk u n ft
gegeben in so fe rn , a ls d e r im weiblichen Geschlecht hornlose (stets?) europä isch e M u f f l o n
(Ovis m u sim o n L.) a ls S tam m fo rm ausschiede u n d a ls solche d a n n wohl h au p ts ä ch lich die
G ru p p e d e r K r e i s h o r n s c h a f e (Ovis v ig n e i B 1 y t h ) m it dem S tep p en sch a f Ovis
v ig n e i a rk a r B rd t. a ls w ich tig ste r S tammquelle in F ra g e käme*).
Von d e r Z i e g e (Capra h ircu s L.) w u rd en bei den neu en A u sg rab u n g en v o n S ip p lin
g en (1929) n u r sp ä rlic h e Re ste gefu n d en . Dagegen sin d von f r ü h e r e n A u f Sammlu
n g en a u s Boden se ep fah lb au ten eine A n z ah l H o rn z ap fen v o rh an d en , die meisten aus
S ip p lin g en , d ie ü b rig e n a u s N u ß d o rf, Bodman, L ü tz e lste tten (Genaueres s. Zusammens
te llu n g S. 33). D ie v o llstän d ig en Z ap fen rü h re n säm tlich v o n w e i b l i c h e n T ie ren h e r;
sie sind d u rch g e rin g e re Größe u n d säbelförmige K rüm m u n g in e in e r E bene g ek en n zeichnet.
Be i 2 Sch äd e lstü ck en m it e rh a lte n e n Z apfen f ä llt gegen ü b e r den s ta rk d iv e rg ie re
n d e n Z ap fen d e r weiblichen Bezoarziege d e ren fa s t p a ra lle le r V e rla u f a u f (s. Abb. 47
u n d 49). Die k le in en weiblichen Z ap fen sin d von den A u to ren teilweise a ls solche ein e r
K üm m e rra s se angesehen worden, e in e r „Torfziege“ . Z u r B e u rte ilu n g d e r Ra sse k ö n n
en na ch dem g eg enw ä rtig en S ta n d u n s re s Wissens jedoch n u r die Z ap fen e rwachsener
*) In den Pfahlbauten Nußdorf, Bodman, Wangen und der Moorsiedlung Weiher b. Thayngen wurden kürzere
zylindrische Hornzapfen mit künstlichen Druckstellen gefunden. Sie stammen wohl von jüngeren männlichen (vielleicht
kastrierten?) Tieren (Abb. 44 u. 45).
Böcke b en u tz t werden. Diese sin d leider bei u n srem M a te ria l in keinem F a lle v o llstä
n d ig ; me ist is t n u r d e r b a sa le T e il e rh a lte n . E in ziemlich v o llstän d ig e rh a lte n e r Z apfen
(s. F ig . 49 li.) au s L ü tz e lste tten von einem a lte n Bock ze ig t eine von A n b eg in n s c h a rf e in w
ä rts g ed reh te V o rd e rk a n te u n d e rw e ist sich d a d u rc h e in d eu tig a ls V e r tre te r d e r
s c h r a u b e n h ö r n i g e n Ba sse (Capra h. strepsioeros A u g s t . ) . L e id e r lieg t zu diesem
Stü ck a b e r k e in F u n d b e ric h t vo r, d e r eine g en a u e re A lte rsb e s tim m u n g f l pb ju n g s te in zeitlieh
oder f rü hm e ta llz e itlic h fl-ilz u lä ß t. Die ü b rig en , wohl säm tlich ju n g ste in z e itlich en
m än n lich en Z apfen lassen eine solche sc h a rfe E inw ä rtsd re h u n g d e r V o rd e rk a n te n ic h t
e rkennen. Sie zeigen in ih r em a lle in e rh a lte n e n b a s a l e n T e il jed en fa lls m eh r einen säbelförm
ig en V e rla u f äh n lich dem desBe zo a r. E s d ü rfte sich also w ah rsch e in lich um V e r tre te
r d e r Capra h. ensicornis A u g s t , han d e ln . Hoffentlich fö rd e rn neu e G rab u n g en vo llstä
n d ig e Z apfen m än n lich e r Tie re, um die F ra g e en d g ü ltig zu k lä re n . Ü b rig en s e rw ä h n t
S t u d e r in se in e r F a u n a des B i e l e r S e e s au sd rü c k lic h neben H o rn z ap fen vom sc h ra u ben
h ö rn ig en T y p u s ein en solchen vom aeg ä g ru s-T yp u s au s L a ttr ig e n (Fig . 32), d e r von
einem Bock h e r rü h r e n d ü rfte . Ich finde ein en diesem g e n ä h e rte n T y p u s in Schwaben in
einem n eolithischen G rab vom Seelberg bei C a n n s ta tt (au sgegraben 1886) u n d in d en jü n g s t
(1931) am Viesen h äu se rh o f bei L u dw ig sb u rg von V e e c k au sg eg ra b en en neolith. S ied lu n gen
(Bösener K u ltu r) v e rtre te n , fe rn e r in d e r b ronzezeitlichen W a s se rb u rg B u c h au neben
dem sc h rau b e n h ö rn ig en , w o rü b e r sp ä te r im 2, u n d 3. Teil b e ric h te t w e rd en soll. Dagegen
weisen jü n g e re F u n d e , d a ru n te r je ein m itte la lte rlic h e r a u s T ü b in g en u n d B ib e ra ch , u n d
e in u n sic h e re r T o rffu n d au s dem Bodenseegebiet (m it S c h n ittsp u re n v o n eisernem W e rk zeug),
se h r schön den sc h rau b e n h ö rn ig en T y p u s au f. E s sch e in t dieser m eh r u n d mehr*)
die Oberhand gewonnen zu haben.
Z u r F ra g e , ob e r sich a u s dem säbelförmigen h e ra u s in d e r Dome stik a tio n en twickelt
h a t oder ob e r a u f eine erloschene (wann!?) sc h rau b e n h ö rn ig e W ild fo rm , d ie Capra
prisca A d a m e t z , zu rü ck zu fü h ren is t, wie dieser A u to r an n im m t, w ill ich sp ä te r Ste llu n g
nehmen, wenn ich noch m e h r vorgeschichtliches u n d rezentes M a te ria l g e p rü ft h ab en werde.
Das B i n d , obwohl a n Z ah l dem Schwein n a chstehend, w a r se iner Größe u n d v ie lse
itig en Verw en d u n g entsprechend, gewiß au ch h ie r d a s w i c h t i g s t e H a u s t i e r . W ir
finden von ihm in den g rö ß e re n P fa h lb a u te n S k e le ttre ste , d e ren F o rm e n u n d Maße m it den
fü r das T o r f r i n d (Bos brachy c e rss Ow .jv o n den A u to re n angegebenen übe re in stim m en .
Auß e rd em findet m an von ihm in U n te ru h ld in g en , S ip p lin g en u n d Bodman Horn z ap fen ,
K ie fe r u n d Gliedmaßenknochen, d e ren Maße die des T o rfrin d e s ü b e rtre ffen , ja die
von g ro ß en re z en ten Ba ssen, wie S im m en ta le r, erre ich en . Bisweilen k a n n m an im Zweifel
sein, ob m an die T eile g ro ß en g ezähmten T ie ren oder U rk ü h e n zu re ch n en soll. W ie beim
Schwein w ird m a n au ch beim B in d im m e r w ieder erfolgende E inm is ch u n g v o n W ild b lu t
ann ehmen d ü rfe n , solange d e r U r noch, wie in u n srem F a ll, h äu fig in u nm itte lb a re r
Umgebung des Viehes vorkam.
D e r Gesamte in d ru ck v o n dem S k e le ttm a te ria l u n sre s neo lith isch en P fa h lb a u rin d e s is t
de r, d aß es te ils b ra ch y c e ren , te ils au sgesprochen p rim ig e n e n , te ils einen M is ch ch a rak te r
tr ä g t, äh n lich h ie r in dem von S c h o e t e n s a c k u n te rsu c h te n neo lith isch en B in d a u s dem
M itte lrh e in g eb ie t (Neuenheim|: U.-Grombach). Diese A u sp rä g u n g e n scheinen u rsp rü n g lic h
n eb en e in an d e r b e s ta n d e n S t h aben, b is f rü h e r oder sp ä te r d u rch E in g re ife n d e r k ü n s tlichen
Z uch twah l m eh r ausgeglichene B e stän d e en tstanden.
*) Anm. : Die Böcke unsrer rehfarbenen Schwarzwaldziege zeigten, bevor sie durch Zuchtwahl hornlos wurden,
ein scharf ausgeprägtes schraubiges Gehörn. Ich werde1 im S. Hauptteil d e r Abhandlung Photographien davon bringen!
Zoologie«. Heft 82. ^ ■