Ostracoda.
Wie aus den literarischen Daten hervorgeht, ist die Schale der Ostracoden sozusagen ausnahmslos
verkalkt. Das Calciumcarbonat ist entweder amorph oder es tr itt kristallinisch auf, und zwar
nach K e l l y und M ü l l e r als Calcit. Außer der Schale wurde eine Inkrustation in keinem: Teile des
Körpers beobachtet; bloß M ü l l e r erwähnt, daß sekundäre Sphäriten auch in den Gliedmaßen erscheinen
können. Nach den Beobachtungen von M ü l l e r können wir ruhig sagen, daß Kristallbildungen auch
in der Schale lebendiger Tiere Vorkommen.
Ich habe selbst n u r die Schalen von 15 Arten untersucht, welche ich dem Herrn Dr. W. Klie
(Bremerhaven), dem bekannten Spezialisten der Muschelkrebse verdanke. Meine Beobachtungen,
vereinigt mit. den literarischen Daten, ergeben folgendes Bild über die Inkrustation der Schale:
Es gibt eine kleine Gruppe mit vollständiger Achalicodermie, nämlich Gigantocypris, Thcmmato-
cypris und Sphaercmicola.
Bei vielen Tieren soll die Schale mit amorphem Kalk inkrustiert sein (M ü l l e r ) A Ich selbst be-
gegnete solchen Arten nicht. Hier herrscht also Achalicodermie mit partieller Amorphochalicöse.
Trotz der Mächtigkeit der Schale im Verhältnis zu dem Weichkörper sehe ich sie nur als einen Körperteil
an, betrachte also die Amorphochalicose nur als partiell, weil der Hauptteil des Körpers unver-
kalkt ist.
Der Kalk kommt bei zahlreichen Tieren kristallinisch, als Calcit vor. S c h m i d t h a t drei Gruppen
unterschieden, welche nach meiner Auffassung drei verschiedene Typen repräsentieren. Die Gruppen
benannte ich nach der Gattung, welche bei S c h m i d t als erste für die betreffende Gruppe namhaft
gemacht wurde.
Iliodromus-Typus. Charakteristisch ist die herrschende Achalicodermie mit partieller Morpho-
chalicose. Der Kalk ist als Calcit anwesend, und zwar besteht die Kalkschicht aus sq winzigen Eitlp:
menten, daß sie mit dem Mikroskop nicht unterscheidbar sind, also der Kalk ist k ry p tö ik r is tf f li-
n is e h . Die optische Orientierung ist einheitlich, indem die optische Achse s e n k r e c h t zur Schalenfläche
steht und sieh r a d i a l gegen den Krümmungsmittelpunkt der Schale richtet. Im Orthoskop
sieht man, wenn es auf die höchste Wölbung ;der Schale eingestellt ist, ein negatives Sphäritenkreuz
und sonst eine allgemeine Aufhellung. Bei tiefer Einstellung, d. i. wenn es auf den Krümmungs-
mittelpunkt eingestellt ist, sind auch farbige Interferenzringe neben dem schwarzen Kreuz sichtbar.
Diese Erscheinung wird von S c h m id t als BERTRANü’sches Kreuz angesprochen. Konoskopisch beobachtet
man ein negativ einachsiges Achsenbild, meist vollkommen zentrisch, was unzweifelhaft
beweist, daß die optische Achse senkrecht zur Oberfläche steht.
Nach den Untersuchungen von S c h m i d t gehören zu diesem Typus: IUodromm olwäcms B r .
& N o rm ., Stenocypris sinuata G. W. Mif®:,: Cypris fasciata M ü ll., reptams B a i r d , Macrocypris sp.,
Cypria sp., Cyclocypris sp. Aus meinem Material passen die folgenden Arten in diesen Typus:
Candona Protzi, Cyclocypris globosa, Cypricercus fmcatus, Cyprideis Utoralis, Cypridopsis mdua, Cyprois
marginata, Heterocypris mcongruens, Iliodromus olivacem, .Notodromas monacha, Paracyprideis
fennica, Paradoxostoma varidbile, Scottia Broumia/na. Besonders schön sind das BERTRAND’sche Kreuz
und das Achsenbild bei Cypricercus, Notodromas, Cyprois und Cyclocypris.
Eine besondere Erwähnung verdient Heterocypris incongruens, eine Axt, welche sehr eigentümliche
Forfpflanzungsverhältnisse aufweist. Dr. W. K l i e h a t mich besonders auf diese Form aufmerksam
gemacht und mir spezielles Material zugeschickt, so daß ich ihm dafür meinen aufrichtigsten Dank
ausspreche.
Heterocypris incongruens zeigt die sogenannte .,Spanandne géographique“ oder „Parthénogenèse
gëographiqüe“ 1| Ü. i. die Männchen kommen erst in dem südlichen Teil des Verbreitungsareales
vor; infolgedessen tr itt die Art in parthenogenetischen und amphigonen Stämmen auf. Die Systematiker
sind nun darüber nicht einig, ob diese beiden Formen wirklich zu derselben Art gehören,
oder aber ob « sich, .um eine Mischart handelt, welche in mehrere aufzuspalten ist. K a u e m a n n 2)
meint, daß die Art in mehrere aüfgèliÉt werden kann. W o h l g e m u t 3) ist entgegengesetzter Meinung
und betont die vollkommene Übereinstimmung der beiden Formen. G . W . M ü l l e r ( K ü k e n t h a l ,
p. 425—426) findet morphöiogSäche: Verschiedenheiten zwischen den Formen und sagt, „daß wir unter
dem Namen Cyprinotus incongruens verschiedene sehr ähnliche Formen zusammenfassen, die sich
durch unbedeutende, aber immerhin konstante Merkmale, ünterseheiden“.
Die Untersuchung mittels des Polarisationsmikroskopes h a t nun gezeigt, daß die amphigone und
die parthenogenetische Form von Heterocypris mcongruens zwischen gekreuzten Nicols auf den ersten
Blick zu unterscheiden waren. Im a llg em e in e n verhalten sie sich konoskopisch wie orthoskopisch
gleich, zeigen jedoch im Orthoskop gewisse Unterschiede, welche eine Trennung ermöglichen. Die
Unterschiede betreffen erstens die Zahl d e r Interferenzringe des BERTRAND’schen Kreuzes, zweitens
die Vollkommenheit des schwarzen Sphäritenkreuzes. Der Befund war der fqlgende:
Parthenogenetische Form: bei tiefer Einstellung sind die Interferenzringe zahlreich und lebhaft;
zentrifugal fortschreitend kommen die Farben der ersten Farbenordnung, dann die zweite Farben-
o rd n u n gÄ r was besonders charakteristisch i s f g g e in ringsherum ziehender starker King des Blau
II. 0 . ; die Farben steigen durch die zweite Ordnung in die dritte, auch Blau III. 0 . bildet einen
meist geschlossenen schmalen King (Fig. 1 a) und an dem Schalenrand herrschen die höchsten
.Farben der dritten Ordnung vor. Bei der Einstellung auf die höchste Wölbung der Schale sind die
Arme des schwarzen Kreuzes nicht vollständig, dunkel, sondern schauen wie gesprenkelt oder fein
marmoriert aus, weil Vereinzelte Kristalle innerhalb des dunklen Kreuzes aufleuchten, wie dies z. B.
nach S c h m i d t (3. .p. 263) bei Cyclocypris der Fall ist.
Amphigone Form: die Interferenzringe des BERTRAND’schen Kreuzes sind schlecht ausgebildet,
diffus und Blau II. 0 . kommt nur als ein schmaler Streif an dem oberen und unteren Schalenrand,
voneinander getrennt, vor (Fig. 1 h); höhere Interferenzfarben fehlen. Bei hoher Einstellung ist das
schwarze Kreuz vollkommen dunkel, weil aufleuchtende Kristalle nur ausnahmsweise hier und da
zu finden sind.
Diese Erscheinungen treten bei den s äm tlic h e n Individuen, welche von den beiden Formen
mir zur Verfügung stehen, k o n s e q u e n t und in g le ic h em S in n e auf, so daß ich die beiden Formen
ganz gut unterscheiden konnte. Die Unterschiede sind offenbar auf den Umstand zurückzuführen,
daß die Schale der parthenogenetischen Form ungefähr 2,2 mal dicker ist als die der amphigonen
Form, und die Anordnung der kryptokristaliinischen Elemente nicht so streng einheitlich ist, wie
bei der letzteren.
!) Y a n d EL: La parthénogénèse géographique. (Bull. Biolog. France e t Belg. LXII. 1928. p. 164—281, spez. p. 250.)
2) K a u fm a n n : Cypriden und Darwinuliden der Schweiz. (Revue Suisse de Zool. VJLLL. 1900. p. 209—423, spez. p. 268.)
®) W o h l g e m u t : Beobachtungen und Untersuchungen über die Biologie der Süßwasser-Ostracoden. (Internat. Rev. ges. Hydro-
biol. u. Hydrogr. Biol. Suppl. VI. 1914. p. 72, spez. p. 57—70.)