Bestätigung oder Widerlegung der hier erörterten Gedanken wären eingehende Untersuchungen in
statisch-mechanischer Richtung sehr erwünscht.
Wenden wir uns je tz t nach den strukturellen Eigenschaften des Mosaikpanzers den optischen zu.
Die I n t e r f e r e n z f a r b e n sind im allgemeinen ziemlich niedrig, sie schwanken zwischen Grau
und Hellgrau I. 0 . (r = 1 0 0—1 6 0 pp), woraus man auf die geringe Dicke der Sphäriten (ca. 1 p)
schließen kann. Dies ist mit der Angabe v o n S c h m id t (cf. 3. p. 2 5 9 ) , daß die Dicke der Sphäriten
am Rumpfe von Gammarus pulex etwa den 10 . Teil des ungefähr 1 0— 1 5 p starken Panzers ausmacht,
in Übereinstimmung. Bei Jassa falcata und Parajassa pelagica ist der Panzer so dünn, daß die Interferenzfarbe
kaum das Grau I. 0 . erreicht und die Doppelbrechung manchmal nur mittels der Gipsplatte
nachweisbar ist. Höhere Interferenzfarben’fand ich nur bei dem wohlbeleibten Anonyx nugax.
Hier kommen an den dünneren Stellen Interferenzfarben vön 2 1 0— 3 3 0 pp Gangunterschied vor,
an den dickeren sieht man Orange ( / 'E 5 0 0 pp), sogar empfindliches Violett. Die konzentrischen
Ringe, von denen.unten die Rede sein wird, zeigen Blau II. 0.,' stellen also Verdickungen' dar. Der
Sphäritencharakter ist immer negativ *).
Das S p h ä r i te n k r e u z ist sehr verschieden ausgebildet: es kann sehr schön, aber auch entstellt,
deformiert, verdoppelt sein, sogar sich öffnen. Dies hängt von der Feinheit, Richtung und der
Gleichmäßigkeit der radialen Fasern ab. Die kleinen Sphäriten lassen im allgemeinen ehi schöneres
Kreuz erkennen als die großen. So zeigen die winzigen Sphäriten von Jassa falcata und Parajassa
pelagica wunderschöne Kreuzchen. Die Kreuze der großen Sphäriten sind meist unvollkommen, j 8 f
stört. Der große Sphärit von PallasieUa quadrispinosa (Taf. X Fig. 1) ist nur ein Ausnahmefall.
Wenn der Sphärit ziemlich isodiometrisch ist und sein Zentrum ungefähr mit dem geometrischen
Mittelpunkt zusammenfällt, so sind die Arme des Kreuzes gleich ausgebildet. Die Verschiebung des
Sphäritenzentrums gegen die Peripherie ist m it ungleicher Ausbildung der Kreuzarme gleichbedeutend.
Die langgestreckte, längliche Form des Sphäriten bringt ebenfalls die Verkürzung zweier Kreuzarme
mit sich. Wenn das Zentrum dicht an der Peripherie liegt, oder das Polygon zu schmal ist, oder aber
es überhaupt kein Zentrum gibt, so sehen wir überhaupt kein Kreuz mehr, sondern der Sphärit '.iftf
m seiner ganzen Ausdehnung f l je nach der Stellung f lh e l l oder dunkel. Oft kombinieren sich diese
Umstände. In diesen Fällen haben wir also nur mit Sektoren, Ausschnitten von Sphäriten zu tun,
so wie wir dies bei Phrosma gesehen haben, welche Sektoren dann immer nur einen Arm des Kreuzes
zeigen. Oft ist die Auslöschung und Aufhellung dieser Mosaikelemente so einheitlich, gar nicht
sphäritenartig, daß man geneigt ist, sie nicht für Sphäriten, sondern für Einzelkristalle zu halten
(S c h m id t , 3 . p. 2 5 9 ) . Mit stärkeren Systemen ist jedoch der radialfaserige Bau sichtbar.
Hier und da, z. B. an den pleonalen Epimeren von Gammarus hausta, habe ich eine sehr ausgesprochene
undulierende Auslöschung beobachtet, woraus man auf eine Kristallisation unter Druck
schließen kann. Die auffallendsten Störungen der Auslösohung bilden jedoch die sich öffnenden
Kreuze und die sprunghaft auslöschenden Sektoren mancher Sphäriten, welche schon von S c h m id t
(3. p. 259) beobachtet wurden. S c h m id t erklärt diese sprunghafte Auslöschung dadurch, daß die
kalkigen Elementarteile innerhalb dieser Abschnitte mehr oder minder genau parallel ausgerichtet
sind. Eine bessere positive Erklärung ist derzeit kaum zu geben; jedoch will ich einen Gedanken
aufwerfen, welcher als Arbeitshypothese uns vorläufig über diese Schwierigkeit weiterhelfen könnte.
Ich glaube, daß die zentrenlosen Sphäriten, die sich öffnenden Kreuze und die sprunghafte Auslöschung
') Das Sphäritenzentrum ist manchmal von feinen elliptischen oder spindelförmigen Plättchen umgeben, welche Wachstumsanomalien
des Sphäriten darstellen und in dem Sphäriten eingeschlossen sind. Diese können auch positiv sein.
zu einem und demselben Erscheinungskomplex gehören und auf die unregelmäßige Ausbildung der
Sphäriten infolge der schnellen Kristallisation zurückzuführen sind. Wie ich bei Ccurinogammarus,
Gammarus pulex mehrmals beobachtete, geschieht die Neubildung des Mosaikpanzers sehr schnell.
Die frisch gehäuteten Tiere zeigen unter gekreuzten Nicols gar keine Doppelbrechung1). Nach acht
Stunden treten schon die ersten kleinen, idiomorphen Sphäriten auf und nach 2 4— 3 6 Stunden ist die
Neubildung vollendet. S c h u m a n n (p. 6 5 4 ) gibt für Gammarus pulex und Carinogammarus Roeseli
ca. 4 8—7 2 Stunden an, was mit meinen Angaben nicht ganz übereinstimmt, man muß aber, bedenken,
daß mir ein ganz präzises Mittel für die Verfolgung des Erhärtungsprozesses, d. h. das Polarisationsmikroskop,
zur Verfügung stand. Die Neubildung des Panzers findet nun je tz t so sta tt, daß die
idiomorph angelegten Sphäriten während des Weiterwachsens durch die auftretenden, und zwar schnell
und zahlreich erscheinenden Nachbarsphäriten im Wachstum beschränkt, hypidiomorph werden und
diese hypidiomorphen und xenomorphen Sphäriten durch Zusammenschluß den Mosaikpanzer bilden.
Was also Phrosina uns im K a um so schön demonstriert hat, spielt sich hier in d e r Z e it a b 2).
• Ich sah auch hier Sphäriten, welche nur *4, % oder % der Kreisfläche ausgebildet haben.
Wir nehmen je tz t an, daß z. B. ein unvollständiger %-Sphärit nach gewissem Stillstand weiterwächst,
aber die neuen Fasern etwas d e z e n t r i e r t angelegt werden, d. h. sich entweder vor
oder jenseits des Sphäritenzentrums vereinigen, bezw. vereinigen* sollten. Die neuen Fasern
schließen also mit den alten keinen z e n t r a l e n Winkel ein, sondern einen gewöhnlichen. Da die
Schwingungsrichtungen der alten und der neuen Faser sich nun nicht in e in em Punkt schneiden,
wird die Auslöschung an der Berührungsgrenze der Faser unterbrochen, d. h. sie wird sprunghaft.
Wenn die Dezentration gering ist, tr itt nur die sprunghafte Auslöschung auf. Wenn aber die Dezentration
eine gewisse Grenze überschreitet, öffnet oder verdoppelt sich das Kreuz. Nach dieser Auffassung
wäre also die sprunghafte Auslöschung das Zeichen einer geringen, das sich öffnende Kreuz
das Zeichen einer stärkeren Dezentrierung.
Konzentrische Ringe sind an den Sphäriten ziemlich selten; am häufigsten sind sie bei Anonyx
nugax, aber auch hier mit den radialen Fasern kombiniert. Diese Ringe sind auch im gewöhnlichen
Lichte sichtbar und sie entsprechen nicht nur gewissen Wachstumszonen, sondern auch Verdickungen,
weil ihre Interferenzfarbe immer bedeutend höher als die Umgebung ist. Sie kommen in dem ganzen
Panzer vor, sind aber in der Randstruktur die häufigsten.
Die Mikroskulptur der Cuticula wirkt manchmal bei der Betrachtung des polarisationsmikroskopischen
Bildes störend. Die Vertiefungen oder Erhebungen der Mikroskulptur können das Fallen
oder das Steigen der Interferenzfarbe bedingen. Fast bei jeder Art ist eine Mikroskulptur, ein Netzwerk
nachweisbar, eine polygonale Felderung, welche schon von S c h m i d t (3. p. 2 5 4 ) erwähnt wurde.
Auffallend stark ist die Mikroskulptur bei Jassa falcata und Parajassa pelagica. Die Cuticula von
PallasieUa quadrispinosa (Fig. 3 6 ) zeigt eine Beschuppung, welche sich aber bei stärkerer Vergrößerung
(Taf. X Fig. 1) aus halbkreis-, halbmond- oder hufeisenförmigen Erhebungen bestehend
erweist.
Wie fast überall, finden wir auch bei den Gammaroideen unter dem Integument, oder in dem
Integument, aber unter der Sphäritenschicht kugelige Sphärokristalle, welche offenbar auf postmortale
Umkristallisation zurückzuführen sind. Sie sind ziemlich undurchsichtig, zeigen kein
*) Mit schwächeren Vergrößerungen auch an lebenden Tieren ganz leicht feststellbar.
2) Ich beabsichtige, darüber später in einer anderen Abhandlung eingehender zu berichten, wo sämtliche Anomalien der
Sphäriten besprochen werden. Alle hängen mit der Genese zusammen.
Zoologien. Heft 80. < 1 4