wieder, also sekundär, verkalkt. Eingehende Untersuchungen, um das Verhältnis aufzuklären, in
welchem diese Erscheinung zu der D o l l o ’sehen Regel steht, wären erwünscht1).
Ich weiß sehr gut, daß das gegebene Bild bei weitem nicht vollständig ist. Das bearbeitete Material
i s t im Verhältnis zu den bekannten Krebsarten verschwindend klein. Infolgedessen ist es leicht
möglich, daß gerade für die Gruppen nicht oder weniger typische Tiere zur Untersuchung in meine
Hände geraten sind, so daß sich Trugschlüsse ergeben könnten. Außerdem ist die Mannigfaltigkeit
wahrscheinlich noch größer, als ich zu zeigen versuchte und man wird gewiß viele Ausnahmen
finden. Es ist aber weder in der vergleichenden Morphologie, noch in der Ökologie-Ethölogie möglich,
alles über einen Leisten zu schlagen, und ich wollte ja kein Naturgesetz, welches keine Ausnahme
duldet, aufstellen, sondern bloß einige Beiträge zur Kenntnis und zum Verständnis der Organisation
der Crustaceen liefern. Es ist sehr wahrscheinlich, daß die zukünftigen Untersuchungen meine Feststellungen
nicht nur in vielen Hinsichten erweitern und ergänzen werden, sondern in mancher Beziehung
vielleicht auch modifizieren. Insbesondere gilt dies für die phylogenetischen Betrachtungen,
weil die extensive Stammbaumforschung, d. h. die Erforschung der phylogenetischen Beziehungen
der Unterordnungen, Ordnungen, Unterklassen, in der Klasse der Krebstiere trotz der Bemühungen
von Cl a u s , B o a s , G ie s b r e c h t , Ca lm a n , H a n s e n , B o r r a d a il e , O r tm a n n u sw . noch sehr viel zu
wünschen übrig läßt, was besonders in der Gruppe der Decapoden auffällt.
In diesem Sinne und mit diesem Vorbehalt wage ich nun, die für mich klar erscheinende FesK,
Stellung zu machen, daß die oben geschilderte Aufeinanderfolge der Panzerbildungsstufen gültig zu
sein erscheint: 1. in aufsteigender Linie in bezug auf das Gesamtsystem der Krebstiere; 2. innerhalb
der Ordnungen geht sie mit der progressiven Vervollkommnung und mit der zunehmenden Spezialisierung
parallel; 3. manchmal ist sie auch in der Ontogenese wiederzufinden, obwohl sie infolge der
so oft möglichen Tachy- und Caenogenesis hier meist schwach und selten zum Ausdruck kommt.
Der Typus der Panzerbildung h a t sich für jede Gruppe während der Phylogenese ausgebildet,
so daß seine Determinationsfaktoren schon .erblich festgelegt in dem Keimplasma enthalten sind.
Infolge der unausbleiblichen Häutungen muß aber der Panzer sich nach Typus und Topographie in
dem Leben des . Individuums mehrmals realisieren, und mit der Frage nach den Realisationsfaktoren
gelangen wir zu dem heiklen Thema der Häutungsphysiologie, die eine viel kompliziertere Sache
ist, als man es in dem ersten Moment vorstellt. Unbekümmert um die vorbereitenden Prozesse, ;4m
das Abwerfen der alten und die Bildung der neuen Cuticula, interessiert uns nur die Wiederherstellung,
die Neubildung des anorganischen Panzers. Ich muß aber schon vornhinein sagen, daß unsere Kenntnisse
in dieser Beziehung noch sehr lückenhaft sind und die Untersuchungen meist, bei Decapoden
angestellt wurden.
Uber die H e r k u n f t der Calciumsalze wurden verschiedene Meinungen ausgesprochen. Sie
können aus dreierlei Quellen stammen: aus dem alten Exuvium, bezw. der alten Cuticula, aus der
Nahrung und aus dem Wasser.
Daß Onisciden das abgestreifte Exuvium fressen, wurde zwar beobachtet, aber seine Rolle als
Kalkquelle wird von Herold (p. 479) in Abrede gestellt. Bei Ga/mmarus und Ca/ri/noga/mma/rus wird
dies von Schumann (p. 655) verneint. Ich selbst habe aber tatsächlich beobachtet, daß frisch gex)
Siehe darüber: B o u v i e r : Recherches sur les affinités des Lithodes e t des Lomis avec les Paguridés. (Ann. Sei. Nat. Zoo]
Ser. 7. XVIII. 1895. p. 157—213.)
B oa s : Die verwandtschaftliche Stellung der Gattung Lithodes. (Biol. Medd.Kgl. Danske Viden. Selskab. IV. 4. 1924. pp. 34.)
Balss: Über Anpassungen und Symbiose der Paguriden. (Zft. f. Morph, u. ökol. d. Tiere. I. 1924. p. 762—792.)
häutete (rammarws-Exemplare an dem abgeworfenen Exuvium herumfraßen. Sowohl die Panzer-
losigkeit wie die Spuren des Benagens wurden mikroskopisch festgestellt. Weiter habe ich die Sache
nicht verfolgt und weiß nicht, ob die Panzertrümmer den Darm korrodiert oder unangegriffen passieren.
Für die Ostracoden haben G. W. M ü l l e r und F a s s b in d e r (2. p. 559) die Auflösung des Schalenkalkes
vor der Häutung, bezw. die Auflösung einer Kalkanhäufung, die mit der alten Schale in Verbindung
stand, beobachtet.
Es scheint auf der Hand zu liegen, daß viele Krebse die Kalksalze mit der Nahrung aufnehmen.
Nach S c h u m a n n (p. 700) ist eine Deckung des Kalkbedarfes der frisch gehäuteten Gammariden bis
zu 100 % aus den Pflanzen ausgeschlossen. Betreffs der Landisopoden bleibt jedoch keine bessere
Annahme übrig.
Unlängst h a t S c h u m a n n (p. 662, 667, 702) experimentell nachgewiesen, daß Gamma/rus und
Ccvrinogammarus imstande sind, aus normalem kalkreichen Außenmedium Kalk bis mindestens zu
annähernd normaler Höhe aufzunehmen. Der Kalk wird m it dem Wasser als Bicarbonat aufgenommen
und durch Kohlensäureentzug als Carbonat ausgefällt.
Die Z e it der Kalkaufnahme ist verschieden. Für manche Crustaceen wurde nachgewiesen, daß
sie Kalkreservekörper, Kalkdepots, Kalkanhäufungen v o r der Häutung bilden. Längst bekannt sind
die ,,Krebsaugen“, die Gastrolithe der Astacuren. Bei einigen Onisciden wurden von H e r o l d (p. 471
bis 474, 480) an den thorakalen Sterniten gewisse „weiße Platten“ beschrieben, welche sich vor der
Häutung entwickeln und sich als Kalkreservekörper herausstellten. Bei zwei Trichonisciden kommen
Reservekalkkörper neben dem Darm in den vier letzten Thorakomeren vor ( V e r h o e f f , D u d i c h ) .
Bei den Ostracoden stellte F a s s b i n d e r (2. p. 556—559) eine vorherige Kalkspeicherung fest. Dagegen
wurde die Annahme einer Kalkspeicherung bei Maja und Carcinus von S c h ö n b o r n (p. 540),
bei Gammarus und Carinogammarus von S c h u m a n n (p. 667) entschieden abgelehnt.
Wie der Kalk dieser Kalkdepots, speziell bei den Decapoden, m o b ilis ie r t wird, wissen wir
noch nicht genau. Nach manchen ( F ü r t h , p. 2 3 5 ) werden die Kalkkonkretionen von der freien
Kohlensäure des Magensaftes in lösliches Bicarbonat bezw. saures Phosphat umgewandelt so von
der Hämolymphe fortgeführt. Indessen wird sich die Sache nicht so einfach gestalten, weil zwar
pH des Flußkrebs-Magensaftes zwischen 4 ,6 6 8— 6 ,6 schwankt, „freie“ Säure aber doch nicht anwesend
i s t 1), sondern freie H-Ionen. Die chemisch-physikalischen Eigenschaften des Krebsblutes ( F ü r t h ,
P- 8 8— 8 9 ; L i e s e g a n g , p . 4 2 , 4 3 , 6 0 , 9 3 ; P i n c u s s e n , p . 1 2 ; O p p e n h e im e r , p . 4 2 6— 4 3 8 ; W i n t e r s
t e i n I, 1. p. 6 6 9—7 4 6 ; B i e d e rm a n n , 6. p. 8 6 0 ) allein bieten nicht viel zur Lösung des Problems.
Nach B i e d e rm a n n sprechen triftige Gründe zugunsten der Annahme, daß der Kalk auch im Blute
nicht einfach als solcher (Carbonat oder Carbaminat) gelöst ist, sondern sich in noch nicht näher bekannter
Verbindung mit organischen (Eiweiß-)Bestandteilen befindet. Nach P a u l & S h a r p e (p. 1 9 2 ) :
„Calcium is probably present in the blood as a salt of a fa tty acid, and, since formic and butyric
acids have been proved to be present in combination with some base in the blood, they are to be
regarded as the carriers of the metal. They are the members of the fatty acid group which most
easily dissolve calcium salts.“
Wie gelangen nun die Calciumverbindungen, seien sie organisch oder anorganisch, gelöst oder
kolloidal, in die Cuticula hinein? Durch die die Chitinschichten durchsetzenden Porenkanäle, durch
die Matrixzellen? Bei den Ostracoden geschieht die Kalkablagerung nach F a s s b in d e r (2. p. 560
1) K r ü g e r & Gr a e t z : Die Fermente des Flußkrebs-Magensaftes. (Zool. Jahrb. Allg. Zool. XLV. 1928. Festschrift f. H e s s e .
p. 463—514, spez. p. 480—482.)