
3. In systematischer Beziehung können wir sagen, daß die aufgestellten T y p e n für gewisse
weitere oder engere systematische Kategorien, also für Verwandtschaftskreise charakteristisch zu
sein scheinen. Die T o p o g ra p h ie des Mosaikpanzers ist auch innerhalb eines Typus sehr verschieden
und sie scheint für gewisse systematische Kategorien ein bezeichnendes Merkmal zu sein. Soweit unsere
Erfahrungen reichen, ist die Topographie im allgemeinen von einer individuellen Variation, von dem
geschlechtlichen Dimorphismus und von den ontogenetischen Veränderungen bei den f re ile b e n d e n
Arten unabhängig. Bei mehr oder minder parasitischen Arten kann sexueller Dimorphismus bezüglich
der Kalkverhältnisse auftreten, wie z. B. bei dem Emetha- und Bopyrus-Typ, oder aber es sind
ontogenetische Veränderungen nachweisbar, wie z. B. bei dem Ceratothoa-Typ (z. T. Emetha-Typ).
4. Wir kommen mehr und mehr der Feststellung nahe, daß eine recht enge Beziehung zwischen
Ausbildung, Bau und Topographie des Mosaikpanzers und der Biologie des Tieres im engeren Sinne
( = Ökologie und Ethologie) bestehen dürfte und auch besteht. Gewisse strukturelle Eigentümlichkeiten
des Mosaikpanzers, die Topographie der Kalkeinlagerungen, die Dicke der Kalkschicht sind
auf biologische Ursachen zurückzuführen. Als solche kommen in Betracht: allgemeine Bewegungsmechanik,
Einrollungsvermögen, Biegsamkeit der Gelenke, Erhöhung der Skelebtfestigkeit, mechanische
Inanspruchnahme; Ermöglichung der Respiration; Verhinderung der Verdunstung; Geschützt-
heit oder exponierte Lage der Körperteile; vorübergehender oder ständiger Parasitismus; freie Lebensweise,
Änderung der Lebensweise während der Ontogenese.
5. In der Ausbildung der Typen sind unbedingt Entwicklungstendenzen wahrzunehmen. In
der aufsteigenden Reihe *) der Unterordnungen ist ein Fortschritt von der Amorphochalicose durch
die Einzelkristalle und Sphenocyklen zu den Sphäriten zu beobachten. Innerhalb der Oniscoideen
scheint der Bau des Mosaikpanzers einerseits von dem zunehmenden „Landtierwerden“, anderseits
von der konvergenten Tendenz zur Einrollung beherrscht zu werden. Unter den Flabelliferen kann
man eine epacmische Phase der Panzerbildung (Cirolana-Typ) feststellen, nach dem sie in dem Cymo-
thoa-Typ die Acme erreicht. Von hier an tr itt infolge des immer mehr ausgeprägten Parasitismus
ein paracmischer Prozeß, der Abbau des Mosaikpanzers auf, welcher durch den Ceratothoa- und
Emetha-Typ in dem Bopyrus-Typ (also in der höchsten Unterordnung) gipfelt, die Paracme erreicht.
In diesen Fällen ist der Einfluß der Änderung der Lebensweise während der Phylogenese (welche
sich auch in der Ontogenese spiegelt!) auf die Panzerbildung ganz klar und so gelangten wir zu dem
Begriff der sekundären Amorphochalicose und Achalicodermie. Im Laufe des paracmischen Prozesses
wirkt die starke mechanische Inanspruchnahme als ein Erhaltungsprinzip für den Mosaikpanzer.
6. Als sonstige biologische Eigentümlichkeiten ergaben sich: a) Die Vorbildung eines Mosaikpanzers
bei Syspastus brevicornis vor der Häutung; b) die Anwesenheit von Kalkreservekörpern
bei Hyloniscus riparius und c) die Faltenbildung der hinteren Pleopoden bei Naesa bidentata als
kompensatorische Einrichtung.
Amphipoda.
Aus gewissen Gründen, welche ich unten bei Phrosina erörtern werde, sah ich mich veranlaßt,
die Besprechung dieser Ordnung nicht in der gewöhnlichen Reihenfolge der Unterordnungen vorzunehmen,
sondern mich zuerst mit den Hyperioidea zu beschäftigen.
*) Ich meine damit nicht eine euthygenetische Reihe, sondern bloß die systematische Reihenfolge der Unterordnungen, welche
jedoch in gewissem Grade die Organisationshöhe der Unterordnungen spiegelt.
1. H y p e r io id e a .
Unter den untersuchten Arten haben Phronima atlantica, sedentaria, Phronimella elongata,
Oxycephalus piscator und Vibilia Jeangerardi nicht nur gar keinen Mosaikpanzer, sondern sind sogar
fast vollkommen achalicoderm. Bei der Behandlung mit Salzsäure beobachtet man eine praktisch
kaum in Rechnung kommende Gasentwicklung. Im allgemeinen kann man sagen, daß es sich bei
diesen Tieren um eine herrschende Achalicodermie handelt. Bloß bei den Phronima-Arten können
wir von einer partiellen Amorphochalicose reden, weil die Greifbeine bei ihnen etwas lebhaftere Gasentwicklung
zeigen.
Platyscelus ovoides Risso.
In dem Integument kommt sehr viel amorpher Kalk vor, welcher nur in den Mundgliedmaßen,
Pleopoden, Oostegiten, Kiemen, Gelenk- und Intersegmentalhäutchen fehlt. In der Cuticula der
großen Augen beobachtet man bei der Behandlung mit Salzsäure eine äußerst geringe Gasentwicklung.
In diesem Falle müssen wir also von vorherrschender Amorphochalicose, verbunden mit partieller
Achalicodermie, sprechen.
Die Vorder- und Hinterränder der Tergiten sind leistenartig einwärts gebogen und von diesen
Leisten gehen die Intersegmentalhäutchen aus. Diese Leisten zeigen Anisotropie. In Orthogonäl-
stellung löschen sie fast vollkommen aus, unter ± 4 5 ° hellen sie sehr lebhaft auf. Da die Doppelbrechung
auch nach Entkalkung erhalten bleibt, ist sie nicht auf Kristallanisotropie, sondern auf den
faserigen Bau des Chitins zurückzuführen.
Es ist sehr wahrscheinlich, daß auch die anderen Platyscelus-Arten ein ähnliches Verhalten
zeigen, sowie die stark inkrustierten Hemityphis crustulatus Cl s . und Parapronoe crustulum C l s .
(cf. Cl a u s , 2 . p. 1 2 , 3 9 , 5 4 ).
Phrosina semilunata Risso.
Dieses wunderschöne Tierchen h a t sich als ein sehr lehrreiches Objekt erwiesen, indem wir bei
ihm die Ausbildung des Mosaikpanzers studieren können und dadurch wertvolle Aufschlüsse zum
Verstehen des Baues des Gammaroideenpanzers gewinnen. Da ich ein ähnliches schönes Beispiel
unter den Gammaroideen nicht vorfand, hielt ich für angezeigt, die Unterordnung Hyperioidea vor
den Gammaroidea zu besprechen, obwohl die letzteren die primitiveren sind.
In dem Körper der Phrosina herrscht Achalicodermie vor, indem Kopf, Mittel- und Hinterleib,
Antennen, Mundgliedmaßen, Kiemen, Oostegiten, Pleo- und Uropoden, Gelenk- und Intersegmentalhäutchen
frei vom Kalk sind. Die beiden ersten Peräopodenpaare zeigen gewisse geringe Amorphochalicose.
Die Hörner des Kopfes und ihre Umgebung, sowie die übrigen Peräopoden haben einen
mehr oder minder vollkommen entwickelten Mosaikpanzer. Da dieser Panzer nicht immer eine geschlossene
Lage bildet, hielt ich ihn zuerst für ein sekundäres Gebilde. Als ich aber feststellte, daß
der Panzer, obwohl lückenhaft, doch eine symmetrische Lage in demselben Exemplar, und eine übereinstimmende
Topographie bei den verschiedenen Exemplaren zeigt, bin ich von der obigen Ansicht
abgekommen. Es muß sich um einen echten Mosaikpanzer handeln.
Taf. I I Fig. 3 zeigt eine Sphäritengruppe aus der Umgebung der Hörner und Taf. VIII Fig. 3—4
zwei Details aus diesen Pleiaden. Die Sphäriten bestehen aus Calcit und der Durchmesser der freistehenden
mißt durchschnittlich 60 p. Sie haben einen äußerst feinen radialfaserigen Bau, welcher
so regelmäßig ist, daß das Sphäritenkreuz sich tatsächlich mustergültig und typisch zeigt. Beim
Drehen des Objekttisches bleiben die Kreuze fast vollkommen unverändert. Im Laufe meiner Unter