In meinem Material (über 100 Exemplare) fand ich Tiere (meist kleinere), welche einen mehr oder
minder unvollständig entwickelten, lückenhaften Panzer zeigten. Bei der Haltung der Tiere stellte
es sich heraus, daß es sich um Tiere in verschiedenen Stadien der Wiederherstellung des Mosaikpanzers
n a c h d e r H ä u tu n g handelt. Methodisch habe ich diesen Vorgang nicht verfolgt, aber die konservierten
Tiere erlauben doch manche Feststellungen.
1. Die Anhänge des Mosaikpanzers werden in den Segmenten des Körpers und in den Gliedern
der Anhänge nicht überall g le ic h z e itig angelegt, sondern es gibt b e v o r z u g te S te lle n , und von
hier aus schreitet der Vorgang der Wiederherstellung in b e s tim m te n R ic h tu n g e n fort.
2. Die ersten Sphäriten erscheinen in der Kopfregion (Antennen, Scherenfuß, Cephalothorax),
dann in dem Ende des Hinterleibes. Von diesen beiden Polen greift der Kristallisationsprozeß später
rückwärts bezw. vorwärts in die Brustregion über. Am spätesten werden die mittleren Thoracomere
gepanzert. In den Gliedmaßen schreitet die Panzerbildung von der Spitze proximal fort.
3. In den Segmenten des Körpers entwickelt sich z u e r s t die Zwischenstruktur und erst
s p ä t e r , von dieser ausgehend, die Randstruktur.
4. Die Sphäriten werden größtenteils id iom o rp h angelegt und erst später durch die Nachbar-
sphärite in ihrem gleichmäßigen Wachstum verhindert; so werden sie h y p id iom o rp h und endlich
x e n om o rp h .
5. Die Plättchen sind unvollständig und unvollkommen ausgebildete Sphäriten, welche in den
engen Zwischenräumen der Sphäriten, unter den Armen verzweigter Sphäriten, in und neben noch
nicht ganz kreisförmigen Sphäriten, endlich zahlreich dicht nebeneinander auftreten und infolgedessen
in ihrer Entwicklung gehemmt werden.
Leptochelia dubia zeigt in vieler Hinsicht Verhältnisse, welche bei dem Tanais- und Hexapleomera-
Typ nicht Vorkommen oder sich abweichend verhalten; deshalb betrachte ich sie als Vertreter des
Leptochelia-Typ, dessen Merkmale sind:
1. A llg em e in e K a lk v e r h ä ltn is s e : Herrschende Morphochalicose mit partieller Amorpho-
chalicose und Achalicodermie.
2. M o d if ik a tio n d e s C aC 0 3: Calcit.
3. G rö ß e n o rd n u n g d e r M o s a ik e lem e n te : Mikrokristallinisch.
4. S t r u k t u r : Panallotriomorph.
5. K r is t a l lo g r a p h i s c h e F o rm : Xenomorphe radialfaserige Sphäriten.
6. S p e z ie lle A u s b ild u n g : Randstruktur und Zwischenstruktur differenziert; zwischen den
reifen Geschlechtstieren sexueller Dimorphismus in der Topographie des Panzers.
7. O p tis c h e O r ie n tie ru n g : Sphäritencharakter negativ.
Die bei den Tanaidaceen vorliegenden Verhältnisse bezeugen, welche große Unterschiede bei
den Vertretern einer und derselben Familie in der Panzerbildung bestehen können und daß die
Panzerbildung betreffs ihres Aufbaues wie bezüglich ihrer Entstehung gewissen Regeln unterliegt.
Der Panzer ist kein Zufallsprodukt des Spiels von chemisch-physikalischen Faktoren, sondern ein
integrierender Teil des Organismus, dessen Bau und Topographie durch organische Faktoren bestimmt
werden.
Unsere Kenntnisse über die Biologie der Tanaidaceen sind noch so lückenhaft, daß die bekannten
Tatsachen noch nicht für eine erfolgreiche bionomische Erklärung ausreichen. Die auffallendste E rscheinung
ist die Spinntätigkeit dieser Tiere. Ich konstatiere bloß die Tatsache, daß gerade die
Peräopoden I I—I II , bezw. I I—IV bei Tanais Cavolinii und Hexapleomera Schmidti, welche Beine eben
die Spinntätigkeit ausüben, zum Teil kristallinisch gepanzert sind.
Isopoda.
Aus dieser Ordnung stand mir ein ziemlich reiches Material zur Verfügung. Da die Vertreter
der verschiedenen Unterordnungen ein recht ähnliches Verhalten zeigen, werde ich die Ergebnisse
der Untersuchungen nach Unterordnungen gruppiert besprechen.
1. A se llo ta .
Hierher gehören die in der Materialliste unter a) aufgeführten Arten. Ich fand keine Art unter
den untersuchten Jaera-, Asellus- und Stenasellus-Arten, welche völlig achalicoderm gewesen wäre.
Es gibt zwar achalicoderme Körperteile, jedoch ist eine mehr oder minder stark ausgeprägte Amorpho-
chalicose überall nachweisbar. Amorphochalicose herrscht also vor, aber sie ist mit partieller Achalicodermie
kombiniert.
In der Cuticula der Jaera- und Stenasellus-Arten findet man sehr wenig amorphen Kalk; die
Gasentwicklung bei der Behandlung mit Salzsäure ist sehr geringfügig. Bei den Asellus-Arten dagegen
ist die Cuticula reichlich mit Kalk inkrustiert. Da die Asellus-Arten für mich den Gegenstand verschiedener
Spezialstudien gebildet hatten, hatte ich von ihnen ein reiches und mannigfaltiges Material
zur Verfügung. Im allgemeinen kann ich die Feststellungen von T s c h e tw e r i k o f f und S c h m i d t
bestätigen und diese allgemeinen Kenntnisse mit manchen Einzelheiten ergänzen, in erster Linie
natürlich betreffs des auch bei uns gemeinen Asellus aquaticus.
Kristallinischen Kalk konnte ich weder bei lebenden noch bei überlebenden oder frisch (unlängst)
konservierten Tieren auffinden; amorpher Kalk ist dagegen fast überall in der Cuticula nachweisbar.
Achalicoderm sind die folgenden Stellen bezw. Gliedmaßen: Gelenk- und intersegmentale Membranen,
Brutlamellen, beide Maxillen, Epipodit des Kieferfußes, Endopodit der dritten Pleopoden
und endlich die vierten und fünften Pleopoden. Die Mandibeln und der Kieferfuß enthalten sehr wenig
Kalk. Die Spitzen und zähnchenartige Gebilde der Mandibeln und der Maxillen leuchten unter gekreuzten
Nicols oft sehr lebhaft auf, aber ihre Doppelbrechung wird auch nach einer Entkalkung
kaum herabgesetzt, welcher Umstand beweist, daß die Doppelbrechung hier nicht auf Kristallanisotropie
beruht.
Es ist besonders hervorzuheben, daß unter den Hinterleibsfüßen nur jene inkrustiert sind, welche
für die erfolgreiche Leistung ihrer zugewiesenen Funktion direkt eine gewisse Festigkeit, Steifheit
haben sollen. So die zwei ersten Pleopoden des Männchens, welche im Dienste des Geschlechtslebens
stehen. Sehr interessant sind die Verhältnisse bei den dritten Pleopoden: Das Protopodit ist klein,
das Exopodit groß und dient als Operculum zum Schutze der eigenen Endopoditen und der übrigen
Pleopoden. Dieser Aufgabe entsprechend ist das Expodit des dritten Pleopoden nicht nur stärker
chitinisiert, sondern auch inkrustiert, wodurch seine Festigkeit unzweifelhaft erhöht wird. Das
Endopodit des dritten Pleopoden steht schon im Dienste der Atmung, es ist dementsprechend weder
sta rk chitinisiert noch inkrustiert, sondern ganz weichhäutig und fungiert als Kieme. Ebenso gestaltet
sind die vierten und fünften Pleopoden, welche gänzlich als Kiemen funktionieren.