nach ihnen I I mit der Einwirkung des Wassers auf den amorphen Kalk zu erklären. Sie möchten
überhaupt jeglichen kristallinischen Kalk in den Crustaceen nur als Ergebnis einer nachträglichen,
sekundären Umkristallisation verstehen, sie betrachten sogar die Kristalle als postmortale Gebilde
(im Wasser, Alkohol, Kanadabalsam).
Außer Calcit und amorphem Kalk wurde auch noch V a t e r i t in den Crustaceen festgestellt, und
zwar durch P r e n a n t (1. p. 374).
Da die Fragen, wie der amorphe Kalk sieh unter verschiedenen Umständen umgewandelt und
ob das Vorkommen kristallinischen Kalkes in lebenden Tieren oder aber auch in konservierten Tieren
primär oder sekundär ist, für unsere beabsichtigten Untersuchungen und für die daraus zu ziehenden
Schlüsse von prinzipieller Bedeutung sind, müssen wir uns m it ihnen etwas eingehender beschäftigen.
Die diesbezüglichen Versuche wurden von B ü t s c h l i und B ie d e r m a n n ausgeführt und neuerlich
durch P r e n a n t kausal begründet.
1. Der amorphe Kalk des frischen Krebspanzers büdet sich im Wasser im Sommer bei einer
Temperatur von mehr als 18° C in tränen-, biscuit- oder trommelschlägerförmige Gebilde um, welche
sich oft in Rosetten vereinigen und aus Calcit bestehen. Siehe B ü t s c h l i 6. p. 18, Taf. I Fig. 6 , B i e d e r m
a n n 6. p. 853 854 Fig. 214. Dieselben Kristalle oder Kristallaggregate bilden sich aus dem Kalke
des getrockneten oder in Alkohol aufbewahrten Panzers. Der Vorgang wird so gedacht, daß es sich
nicht um eine unmittelbare Umkristallisation handelt, sondern der amorphe Kalk wird gelöst und
der Kalk fällt dann wieder kristallinisch, als Calcit aus.
Ich habe solche Calcitkristalle und Kristallaggregate insbesondere bei abgestoßenen Exuvien
von Asellrn aquaticus (Taf. I Fig. 4) und SynureUa ambulans (Taf. I I Fig. 4) und bei anderen beobachtet.
Experimentell wurden sie bei Penern membranacem hervorgerufen (p. 113, Fig. 22).
2. Aus demselben Krebspanzer bilden sich im Winter bei 0—10° C Temperatur monokline
Kristalle von Calciumcarbonat-hexahydrat (CaC03 -J- 6 H20), welche aber nicht beständig sind
(B ie d e r m a n n , 1. p . 1—3, 6. p. 855 Fig. 215—216; B ü t s c h l i , 2. 6. p. 40—59, Taf. IV; J o h n s t o n
& Co., p. 492—493). In Luft, im wärmeren Wasser (18—206 C), in Glycerin oder in Kanadabalsam
verlieren sie ihr Kristallwasser und wandeln sich zuerst in CaCOs + H20 , dann in CaCOs um. Der
Kalk erscheint als Calcit in Rhomboedern oder in Sphärokristallen.
3. Wenn der amorphe Kalk mit konzentrierter oder verdünnter K2C03-Lösung oder mit konzentrierter
Kalilauge behandelt wird, entsteht ein Doppelsalz: 2 (K2C03) + 3 (CaC03jK A H20 , welches
im allgemeinen in hexagonalen Tafeln erscheint (B ü t s c h l i , 1 .2 . 3. 6. p. 15; B ie d e r m a n n , 6. p. 852
Fig. 213 A; S c h m id t , 3. p. 126, 248 Fig. 55). Nach Ma a s (2) und W e in s c h e n k bestehen diese
Kristalle aus Calciumoxyhydrat (CaH20 2).
4. Unter der Wirkung der konzentrierten Na^COs-Lösung entsteht aus dem amorphen Kalk
Gaylussit (Na2C03 + CaC03 4 - 6 H20), welcher in monoklinen Nadeln kristallisiert (B ü t s c h l i , 5. 6.
p. 15; B ie d e r m a n n , 6. p . 852 Fig. 213 B).
5. In mit Alkohol konserviertem Material oder in Kanadabalsam-Dauerpräparaten können
nachträgliche, sekundäre Umkristallisationen des Kalkes stattfinden. Diese sekundären Produkte
sind am meisten Sphärokristalle. Solche werden von B ü t s c h l i (6. p. 17, 19, 20, 21) und von W. J.
S c h m id t (3. p. 249, 264, 266) erwähnt. Auch mir begegneten sie ziemlich oft. Eine befriedigende
Erklärung der Erscheinung steht noch aus. Das Produkt scheint ausnahmslos Calcit zu sein.
Es ist merkwürdig, wie krampfhaft B ü t s c h l i an seiner Ansicht, der Kalk des Krebspanzers
sei immer amorph und kristallisiere nur nachträglich um (B ü t s c h l i , 6. p. 18—20), festhält. Allein
für Cypris ist er geneigt, anzuerkennen, daß kristallinischer Kalk in der Schale vorkommt. Sämtliche
andere Fälle hielt er für „sehr fraglich“, obwohl — meines Erachtens — er recht wenig Grund
für diesen Skeptizismus hatte. Er fand, daß kleine negative Sphärite in dem Panzer von Gammarus
fluviatilis ( = Carinogammarus Roeseli) im Wasser entstehen. Offenbar h a t er niemals einen lebenden
oder frisch sezierten Bachflohkrebs in polarisiertem Lichte untersucht, sonst hätte er sehen müssen,
daß das le b e n d e Tier einen aus Sphäriten zusammengesetzten Mosaikpanzer hat. Es liegt also
kein Grund vor, den Befund von K e l l y über Gammarus locusta zu bezweifeln. Bei Astacus ist der
Kalk tatsächlich amorph, aber diesen Fall darf man nicht für sämtliche Decapoden verallgemeinern,
wenn man nur den Beweis hat, daß a u c h der entkalkte Panzer doppelbrechend ist und daß CaC03 +
6 H20-Kristalle aus Calcit n i c h t entstehen können. Auf der anderen Seite steht nämlich der unleugbare
Beweis, daß nicht nur Doppelbrechung (welche ja nicht unbedingt durch Kristallanisotropie
bedingt zu sein braucht), sondern wirklich Sphäriten beobachtet wurden. Auch folgende Behauptung
B ü t s c h l i ’s halte ich für ungenügend motiviert: „Daß etwa amorpher Kalk neben kristallinischem
in demselben Panzer sich befinde, ist kaum denkbar“ (p. 19). Einerseits stellte schon P r e n a n t
(1, 3) fest, daß der amorphe Kalk mit Calcit oder Vaterit in demselben Tier vorkommt, anderseits
werden wir sehen, daß das gleichzeitige Vorkommen amorphen und kristallinischen Kalkes in einem
Tier eine äußerst verbreitete Erscheinung ist.
Sehr wichtig sind die Untersuchungen von P r e n a n t (4) über die Stabilität des amorphen Kalkes
im Krebspanzer. Er fand unter künstlichen Verhältnissen (in vitro), daß (p. 825) „la condition la plus
efficace de stabilité du calcaire amorphe est la présence dans ce calcaire d’une proportion suffisante
de phosphate de calcium, à condition cependant que le milieu soit assez alcalin. Comme conditions
adjuvantes on peut noter la présence de carbonate de magnésium et la précipitation dans un milieu
colloïdal organique de forte concentration“ . Auf Grund vieler Analysen kommt er zu dem Ergebnis,
daß die Stabilität des amorphen Kalkes von dem P h o s p h a tg e h a l t d e s I n te g u m e n te s a b -
. . . WM • h ä n g ig is t. Er ermittelte das Verhältnis | | | ; ■ einerseits bei Tieren mit kristallinischem Panzer
und mit amorphkalkigem Panzer, anderseits bei denselben Tieren in den kristallinischen und in den
amorphkalkigen Integumentteilen und fand, daß diese Proportion zwischen 0,010 und 1,0 wechselt.
0 ,1 0 5 s t e l l t e in e n k r i ti s c h e n W e r t d a r , o b e rh a lb d e s s e n d e r am o rp h e K a lk s t a b il
o d e r n u r w en ig i n s t a b i l i s t , u n t e r h a lb d e s s e n e r d a g e g e n v o lls tä n d ig in s t a b i l
i s t u n d s ic h in m ik ro k r is ta llin is c h e n C a lc it um w a n d e lt. D e r M a g n e s ium g e h a lt
u n d d ie Menge d e s o rg a n is c h e n S to ffe s ü b e n k e in e n r e g e lm ä ß ig e n E in f lu ß a u f d ie
S t a b i l i t ä t d e s am o rp h e n K a lk e s a u s (1. c. p. 842—843). Im übrigen muß ich auf die hochwichtige
Originalarbeit hinweisen, welche den ersten Schritt in der Erforschung der kausalen Verhältnisse
der Stab ilitä t1) bedeutet.
In einer anderen Arbeit entwickelte P r e n a n t (1) diese Gedanken und Feststellungen weiter,
aber seine diesbezügliche Ergebnisse werde ich erst unten besprechen.
Ich bin gezwungen, diese Dinge schon hier vorne zu besprechen und zu ihnen schon von vornherein
Stellung zu nehmen, weil, wenn m an die einseitige, befangene und unberechtigt verallgemeinerte
Ansicht von B ü t s c h l i vertritt, solche Untersuchungen keinen Sinn haben. Wenn jegliche kristallinische
Gebilde der Cuticula Produkte postmortaler Umkristallisation sind und keinen natürlichen,
q D. i. in dem Crustaceenpanzer.