w
;
•1 i
1'II .
132 B u c h VI. Kap. 2. §. 16.
bot die Sammlung des A n t o n i u s Castorf), der höchsten Auctorifät
in diesem Fache zu unserer Zeit, Gelegenheit dar, mit sehr
wenigen Ausnahmen die übrigen alle durch die Anschauung kennen
zu lernen, indem wir sie betrachteten in dem Gärtlein, worin
er, der mehr als hundertjährige, niemals krank gewesene, und
nicht einmal an Gedächtniss und Lebhaftigkeit durch das Alter
geschwächte Greis, die meisten derselben erzog." Darin haben
wir die dankenswerthe Nachricht von dem ersten medicinischb
o t a n i s c h e n Garten zu Rom, der nach dem damahgen Umfange
der Arzneimittellehre freilich nur ein Gärtchen (hortulus)
zu lein brauchte; aber den Beweis eigener Naturforschung des
Plinius finde ich nicht darin, wir müssten sonst auch den grundgelehrten
Pater Harduin, trotz seiner völhgen Unwissenheit in der
Botanik, zu den Naturforschern rechnen, weil er fast bei jeder
Pflanze des Plinius sich rühmt: „Die habe ich im königlichen
Garten gesehen." Nur in so fern kann von einer Erweiterung der
Pflanzenkunde durch Plinius die Eede sein, als er manches aus
mündlicher Ueberlieferung oder aus Büchern, worin es kein Naturforscher
gesucht hätte, aufsammelte und eintrug in die Acten
1) Nur noch einmal, so viel ich finden konnte (Fabricius sagt: plus simplici
vice), gedenkt P l inius dieses Castor. Buch XX, cap. 17, sect. 66
spricht er von der Heilkraft der Piperitis oder, wie er es auch nennt, des
Siliquastrum, und fügt hinzu: „Castor et aliter demonstrabat," worauf eine
Beschreibung der Pflanze des Castor folgt; das heisst, wenn ich recht verstehe,
unter demselben Namen hätte Castor noch eine andere Pflanze vorgezeigt,
nicht, wie Harduin will, darüber geschrieben,
^Ich darf nicht unbemerkt lassen, dass Harduin zum Quellenverzeichniss
des Plinius (vol. I, pag. 53) aus drei verschiedenen Männern sehr verschiedener
Zeiten eine einzige Person macht, wie ihm zuerst B ayl e (dictionnaire
historique et critique, article Dejotarus, note O.) mit gewohnter Schärfe nachgewiesen.
Sie sind: 1) Ca s tor der Chronograph, den schon Apollodoros,
etwa 150 Jahr vor Chr., wenn nicht früher, citirt; 2) Castor des Dej
o t a r u s Schwiegersohn, der 62 v. Chr., als Cicero den letztern vertheidigte,
noch am Leben war, doch gewiss sehr bald darauf von seinem schon
damals alterschwachen Schwiegervater ermordet ward; 3) der Antonius
C a s t o r , der, obschon er über 100 Jahr alt ward, doch als Zeitgenosse des
Plinius bei des vorigen Tode noch nicht einmal geboren sein konnte.
B u c h VI. Kap. 2. §. 16. 133
der Wissenschaft. Ueberhaupt tragen auch die botanischen Bücher
wie das ganze Werk durchaus das enkyklopädische Gepräge.
Die Wissenschaft zu erweitern lag ausser des Plinius Absicht;
seine Aufgabe war, das Zerstreute zu sammeln zu sichten und
angenehm und übersichtlich darzustellen. In Betracht seiner Zeit
hat er sie, ungeachtet vielfacher Missverständnisse und Fehlgriffe,
im Ganzen bewundernswürdig gelöst ; und für unsere Zeit gewinnt
er dadurch einen noch höheren Werth, dass sich die meisten seiner
Quellen für uns längst verstopften.
Sehr begreiflich ist nach dem allen, dass wir bei Plinius beträchtlich
mehr Pflanzen genannt und meist kurz beschrieben finden,
als bei irgend einem andern Schriftsteller des Alterthums.
An Arzneipflanzen ist er beträchtlich reicher als Dioskorides denn
dieser wählte die a u f z u n e h m e n d e n Pflanzen, jener raffte sie zusammen,
und führte auch wohl, obgleich sich das nur vermuthen
lässt, dieselben Pflanzen, ohne es zu ahnen, mehrmals unter verschiedenen
Namen auf. Dazu kommen bei ihm die Pflanzen der
Felder der Gärten, die Obst- und Waldbäume, und was von
Pflanzen je ein Dichter gefeiert, ein Historiker oder Geograph
wegen irgend eines besondern Umstandes ausgezeichnet, oder
woran irgend ein Volk irgend einen Aberglauben geknüpft hatte.
Nach der Botanique de Pline, einem systematischen Verzeichniss
der bei Plinius vorkommenden Pflanzen am Ende der Arbeit von
Fée, worin von Varietäten nur wenige der vornehmsten aufgeführt
sind, beträgt die Summe derselben ganz nahe an tausend. Uns,
die wir über hunderttausend Pflanzenarten kennen oder zu kennen
glauben (denn vor einem neuen Linne, wenn er noch möglich
wäre, würde die Zahl etwas einschrumpfen), mag das wenig vorkommen;
aber es hebt sich, wenn man bedenkt, dass Linne vor
nur ein hundert Jahren erst etwa sechs tausend Arten zählte, und
den Pflanzenreichthum der ganzen Erde auf nur zehn tausend
schätzte.
Hiermit schliesse ich das dem Plinius gewidmete Kapitel.
Denn eine Aufzählung oder gar Deutung seiner tausend Pflanzen
würde, wie bei Dioskorides, ein Werk für sich ausfüllen, und eine
Bl,
.vifil