Zeit hinausragten, von dieser Zeit verschlungen wurden, sind schon
an sich nichts Ergötzliches. Für mich selbst lag einiger Ersatz
in der öftern Gelegenheit, die mir grade dieser Theil der Geschichte
meiner Wissenschaft vor andern darbot, verkannte oder
unbekannt gebliebene Thatsachen aufzudecken und in ein neues
Licht zu setzen. Ist doch die Lust am Entdecken so natürlich
und unwiderstehlich, dass die Wissenschaft überhaupt wie die
Mode von kurzen oder weiten zu engen oder langen Taillen und
wieder umgekehrt wechselt, und dass man uns, um nur etwas
Neues aufzutischen, oft das Widersinnigste zumuthet. In diesen
Fehler hoffe ich nicht verfallen zu sein, wenigstens suchte ich mich
stets allen Ernstes davor zu hüten, und darf mich gleichwohl mancher
kleiner Berichtigungen und Ergänzungen des Bekannten rühmen.
Aber das waren nur meine eigenen Erfrischungen auf dem
mühseligen Wege; den meisten meiner Leser, besorge ich, wird
es sehr gleichgültig vorkommen, ob z. B. Cornelius Celsus eine
grosse zusammenhängende Enkyklopädie der Wissenschaften, oder
ob er nur eine Reihe einzelner Werke schrieb, ob Antonios Musas
nur praktischer Arzt oder zugleich Schriftsteller war, ob der
von Galenos schwer gebrandtmarkte Pamphilos Pflanzen abbildete
oder nur beschrieb, welchen Plan der Kaiser Marcus Aurelius
seiner Liste steuerpflichtiger Waaren zum Grunde legte, ob Serenus
der Vater oder der Sohn das schlechte Gedicht machte, das
wir noch besitzen, wer Palladius war, und ob er etwas früher oder
später lebte, wo der Schluss des neuerlich gedruckten dem Hermes
Trismegistos zugeschriebenen Buchs von der Extraction der
Kräuter längst auch gedruckt zu finden ist, ob die vier sogenannten
Kyraniden denselben Verfasser haben, oder ob es nur eine
ächte ältere, und drei jüngere falsche Kyraniden giebt, wie alt jene,
wie alt diese sind, wie ihr Uebersetzer hiess, der sich hinter die
räthselhaften Buchstaben RA. PA. versteckte, und dergleichen
mehr. Sie haben recht, man kann sich dieser Dinge ohne sonderlichen
Nachtheil für die Wissenschaft überheben, doch so viel
werden sie mir zugeben: zieht man es einmal in den Kreis der
Untersuchung, wie das seit Jahrhunderten geschah, so soll man
nicht darüber hinhudeln; und wenn der Fischer gelegentlich eine
Schildkröte fängt, so soll er sie darum, weil sie kein Fisch ist,
nicht wegwerfen. Wie vor dem bürgerlichen Richter Gleichheit
der Personen, so gelte vor dem Geschichtschreiber Gleichheit der
Thatsachen, Es versteht sich von selbst, dass er ihr höheres oder
geringeres Gewicht nicht verkennen, und Fremdartiges und zur
Sache Gehöriges nicht bunt vermischen soll; aber ihr volles Recht,
der Wahrheit gemäss erfasst zu werden, das soll er auch der unbedeutendsten
Thatsache, sobald er ihrer gedenkt, angedeihen
lassen. Der Idee nach soll uns die Wissenschaft ein Metallspiegel
sein, den auch der kleinste Rostfleck trübt; in der Wirklichkeit
zeigt sie der Rostflecken doch mehr als zuviel.
Allein wie gern gewiss jeder diesen Grundsatz anerkennt,
Wunder bewirkt seine Anwendung nicht, das Langweilige wird
dadurch um nichts kurzweiliger; und so kann ich meine Leser für
diesmal nur auf die folgenden Bände vertrösten, in denen es endlich
wieder bergauf gehen, und rück- und vorwärts erfreuliche
Aussichten geben wird^ Schon im voraus erlaube ich mir hinzudeuten
auf die noch in keiner Geschichte der Naturwiss
e n s c h a f t e n berührte nabathäische Landwirthschaft,
ein Werk, dem die Araber so viel verdanken, und worin sich uns
ein ganz neues blühendes Culturfeld erschliesst; ferner auf die
wenn gleich mässigen, doch fortschreitenden, und durch die Verkettung
der Begebenheiten welthistorisch gewordenen Leistungen
der Araber, auf Kar l des Grossen herrliche, wiewohl vereitelte
Bestrebungen, auf Alber t des Grossen wahrhaft denkwürdige,
wenn schon bald wieder in Vergessenheit begrabenen Erfolge.
Zwar giebt es auch zwischen diesen Gipfeln noch manche
öde Fläche, die wir nicht vermeiden können; doch näher und
näher rücken allmälig die Gipfel an einander, und in bald breitere
bald engere, bald fruchtbare, bald wild romantische Thäler ziehen
sich die Zwischenräume zusammen, immer lockender breitet sich
die Ferne^ in der wir endlich zur lieben Heimath zurück gelangen
ü