8 B u c h I. Kap. 1. §. 2. Buch L Kap. 1. §. 2. 9
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S c h a f t füghch weder vor dem Jahr 25, noch nach dem Jahr
35 geschrieben haben; und seine Medi c i n schrieb er, wie wir
gleich sehen werden, und längst bekannt war, erst nach der Landwirthschaft.
Sodann zeigten Schilling und Ritter noch, dass Bianconi's
Hauptargument auf der unrichtigen Interpretation einer
Stelle des Quintilianusi) beruhe, und dass dieselbe, richtig interpretirt,
sogar im Widerspruch mit Bianconi's Meinung stehe Einen
andern Weg schlug Kissel ein. Er versuchte nicht nur die
Reihenfolge sämmtlicher Werke des Celsus, sondern auch die Entstehungszeit
einer jeden für sich zu ermitteln, und meint beides
auch bei allen ausser Einem wenigstens annähernd erreicht zu haben
Hieraus schliesst er dann auf die gesammte Lebenszeit ihres
Verfassers. Meines Erachtens hat er einige seiner Behauptungen
m der That bewiesen, andere wenigstens sehr wahrscheinlich gemacht,
wenn er auch bisweilen etwas zu kühn in seinen Folo-erungen
sem mag. Den Gang seiner Untersuchungen verfolgen, Iiiesse
einen grossen Theil seines leicht zugänglichen Buches abschreiben
Ich beschränke mich auf eine gedrängte Zusammenstellung der
gewonnenen Hauptergebnisse. Diese sind: Celsus schrieb
1. sdne Rhetor ik, seinen ersten jugendlichen Versuch (früher
hielt man sie ohne Grund für eins seiner spätesten Werke)
im letzten Jahrzehend v. Chr. G.;
2. sein phi losophi sches Werk frühestens zu Ende des ersten
oder im Anfang des zweiten Jahrzehends n. Chr G.;
3. sein Werk über die Kr iegskunst vermuthlich nach dem
vorstehenden, und vor dem folgenden;
4. seine Landwi r thschaf t erst gegen das Ende des zweiten
oder im Anfang des dritten Jahrzehends;
5. endlich seine Medi c i n gar erst zu Anfang des fünften Jahrzehends.
Er lebte also mindestens 25 — 30 Jahr vor, und 45—50 Jahr
i) QuintiUan. M . omi. III, cap. 1, sect. 21. Richtig verstanden sagt
die Stelle namhch nicht, dass Celsus älter, sondern im Gegentheil dass er
junger sei als Gallio der Vater, der unter Augustus blühete
nach Christi Geburt, und erreichte ein Alter von ungefähr 75 Jahren.
Damit könnte ich diesen Gegenstand verlassen, wäre nicht
R e n z i, vermuthlich aus Unkenntniss der deutschen Untersuchungen,
plötzHch wieder zu Bianconi's Meinung zurückgekehrt, und
hätte er nicht sogar auch seinen deutschen Recensenten im Janus,
ich weiss nicht wodurch, auf seine Seite hinübergezogen. Doch
sei es an der Andeutung dieses literarischen Anachronismus genug.
Für Kissels grösstes Verdienst halte ich aber, dass er uns
im Verlauf seiner Untersuchungen zugleich von einem Gespenst
befreit hat, das sich, ich weiss nicht wie, in die Literargeschichte
eingeschlichen hatte, , von Bianconi besonders gehegt ward,
und sich seitdem aller Köpfe bemächtigte. Ich meine die ungeheure
Enkyklopädie fast aller Wissenschaften, die Celsus unter
dem Titel Ar tes geschrieben haben sollte, und woraus man denn
weiter schloss, ein gewandter Compilator möchte er wohl gewesen
sein, doch gewiss kein Naturforscher, nicht einmal ein praktischer
Arzt. Dieses Schlusses wegen verdient die Sache eine nähere
Beleuchtung.
In des Stephanus bekannter Sammlung Medicae artis principes
etc. führt des Celsus Medicin folgenden einer Handschrift
entlehnten Titel: Aurelii Cornelii Celsi de re medica libri octo,
operis ab ipso scripti de Ar t ibus pars sexta; und ähnliche Bezeichnungen
fand man seitdem in mehreren Handschriften dieses
Werks. Damit verband man eine Stelle des Quintiiianus worin
sich derselbe durch das Beispiel grosser Männer von umfassenden
Kenntnissen gegen den Vorwurf verwahrt, als verlange er vom
Redner mehr, als ein Mensch leisten kann. Nachdem er nun die
beredtesten und zugleich gelehrtesten Griechen aufgerufen, wendet
er sich mit folgendeu Worten zu den Römern: „M. Censorius
Cato, zugleich Redner und Historiker, in der Rechtskunde bewandert
wie in der Landwirthschaft, bald mit Kriegszügen, bald mit
Parteibestrebungen beschäftigt, erlernte gleichwohl noch in einem
, rauhen Jahrhundert bei schon sinkenden Kräften die griechische
1) QuintiUan, instiiut. orat. X I I , cap. 11, sect. 24.