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372 B u c h VIIL Kap. 4. §. 55.
ziemlicher Schärfe: er muss, wenn er auch vielleicht das sechste
Jahrhundert erreichte, doch schon gegen Ende des fünften in seiner
Blüthe gestanden haben.
Von seinen Schriften sagt Damaskios, dem wir das wenige,
was wir von ihm wissen, fast allein verdanken, kein Wort. Ein
späterer Commentator des Aristoteles, Olympiodoros i) (nicht zu
verwechseln mit dem gleichnamigen Historiker und Groldmacher,
dem wir bei Gelegenheit der Kyraniden begegneten), citirt seine
Erläuterungen zum Timäos des Piaton. Eine noch ungedruckt
vorhandene Abhandlung über das Kriegswesen trägt seinen Namen,
scheint jedoch nicht von ihm zu sein. Ausserdem verlautet
nicht das mindeste von seinen schriftstellerischen Arbeiten. Was
ihm demungeachtet hier einen Platz giebt, sind folgende Worte
des Damaskios über ihn bei Suidas:
,,Von Jugend auf galt er für den scharfsinnigsten und kenntnissreichsten
seiner Altersgenossen, indem er unablässig nach
allem forschte, was die Natur oder irgend eine Kunst bewundernswürdiges
hervorbringt. So lernte er in kurzer Zeit alle Mischungen
der FarbenstofFe und alle zur Verschönerung der Gewänder angewandte
Tünchen kennen, eben so die tausendfachen Verschiedenheiten
der Holzarten mit bald gewundenem bald gradem Verlauf
ihrer Fasern. Ferner beobachtete und erforschte er die Eigenschaften
und Gestalten der Steine und P f lanzen, nicht nur
der gewöhnlichen, sondern auch der seltensten, auf jede Weise.
Den Handwerkern machte er viel zu schaffen, indem er sich fortwährend
bei ihnen aufhielt, und nach allem aufs genaueste fragte.
Sehr hohen Werth legte er auch auf die N a t u r g e s c h i c h t e der
P f l a n z e n , noch höhern auf die der Thiere, indem er die einheimischen
durch eigene Anschauung unterschied, über die
fremden so viel wie möglich Erkundigungen einzog, und las, was
die Alten darüber geschrieben/^
Nur im Vorbeigehen berühre ich, was ferner gesagt wird von
1) Olympio dor i philosophi Alexandrini in meteor, Aristotelis commentarii etc.
Venet. 1551 fol, nach Fabricius. Mir ist das Buch unzugänglich.
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der Anmuth seines Betragens, der Würde seines Charakters, seiner
Frömmigkeit, seinem Aufwände zum Schmucke der Tempel
und den neuen Hymnen, die er einführte, so wie von dem Einfluss
seines Beispiels und seiner Lehre auf die Veredlung nicht
allein der Mitbewohner seiner Stadt, sondern eines weitern Umkreises,
der sich einerseits bis auf Alexandrien, andrerseits über
die der Magie (der persischen Religion) ergebenen Ostländer erstreckte.
In des Photios Auszügen aus des Damaskios Leben
des Isidoros lesen wir noch allerlei Wunderbares über ihn, was
Suidas überging, wie ihn ein Wunder aus des Mäandros Finthen
errettete, wie er im Dankein Schriftzüge und Personen erkannte,
u. dgl. m. Obgleich aber in der Physik und Mathematik der
Erste seines Jahrhunderts, fügt Damaskios hinzu, obgleich völlig
eingedrungen in das tiefere Verständniss der platonischen Philosophie,
so wäre er doch in der höhern orphischen und chaldäischen
Weisheit, die den gewöhnlichen Verstand übersteigt, zurückgeblieben,
und hätte in der Sitten- und Tugendlehre immer
etwas Neues ergriffen, und die Theorie auf das Niedere und auf
die Phänomene beschränkt, abweichend von den alten Speculationen,
und alles auf die Natur der weltlichen Dinge beziehend und
zurückführend. — Ein schöneres Lob ist wohl selten gespendet,
ein Lob, gemildert durch einen Tadel, der unwillkührlich selbst
den schönsten Lobspruch enthält, nämlich das Zeugniss, dass den
Asklepiodotos sein treues Festhalten an der Natur vor jener bodenlosen
Schwärmerei bewahrte, worin andere geistig begabte
Männer damaliger Zeit die einzige Zuflucht fanden vor der unerträglichen
Gegenwart. Wenn aber sogar sein hochgebildeter Schüler
das an ihm als Schwäche betrachtet, was wir am meisten bewundern
müssen, wie viel weniger konnte ihn sein Zeitalter überhaupt
verstehen! Seine Werke gingen unter, kaum dass ein
dankbarer Schüler sein Gedächtniss erhielt. Der Geschichte aber
ziemt es, solchen Männern ihre Kränze zu wahren.^)
1) Nicht unbemerkt lasse ich daher auch das würdige Denkmal, welches
H e c k er {Gesch, d. Heilk. ZZ, S, 86 ff.) dem von S p r e n g e l nicht einmal
genannten Asklepiodotos als Arzt widmete»
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