370 B u c h Vili. Kap. 4. §. 55. Buch VIII. Kap. 4. 55. 371
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ursprüngliche und uranf'ängliche Durst, ausgegangen von oben
her, erfüllt alles nach Beschaffenheit der Natur eines jeden. Je
tiefer nun die Wesen stehen, desto mehr sehen wir ihre Kräfte
auf die Theile verbreitet, und in Folge davon den Stoff dichter;
den höhern und edlern dagegen entzieht sich das StofFartige fast
ganz. Sind aber Leben und Seele dem Wesen nach eins, so
wird der Geist (Logos) auch in ihnen den Geist ausmachen. Denn
dass sich des Lebens Grund in der Mitte befinde, darüber werden
wir alle einig sein."
( S c h ü l e r : ) „Wie geht es aber zu, wenn, was die Mitte
von Allem einnimmt, am wenigsten beseelt ist, und wenn das
Leben unter die weltlichen Dinge je nach ihrem Abstände von
der Mitte vertheilt ist, dass sich die Seele nicht eben so nach den
Abständen vertheilt findet?"
( H e r m i p p o s : hier ist eine Lücke im Text.) „Daraus und
aus dergleichen mehr erhellt, warum Sinn und Seele in der obersten
Gegend ihren Sitz haben. Weil aber der Geist bestimmte,
dass die Thiere eine Mischung aller Elemente sein sollten, so besteht
aus ihnen auch der Mensch. Herrscht nun in ihnen das
Erdige oder das Wässrige vor, so erscheinen sie entweder schwerfällig
und stumpf und vom Stoffe leidend, oder unstät, in TJeppigkeit
zerfliessend und den Werken der Liebe ergeben u. s. w."
Viertes Kapitel.
Griechisclie Naturforscher und Aerzte zwischen dem Untergange
des abendländischen Kaiserthums und Justitianus
Tode (476 — 565).
§. 55.
A s k l e p iö d o t o s AI ex an d r i n o s.
Lateiner, deren ich zu gedenken hätte, gab es in dieser Zeit
nicht mehr. Wie aber Marcellus Empiricus zu Anfang, so, und
noch bedeutsamer als jener, steht Askl e p i o do to s am Ende des
fünften Jahrhunderts als einsames Wahrzeichen da, dass der Sinn
für Naturforschung doch niemals so gänzlich erstarb, dass er nicht
in einzelnen Männern wieder hervorbrach. Aus Alexandrien gebürtig,
lebte er in einer der vielen ägyptischen Städte namens
Aphroditopolis 1), vermuthHch derjenigen, die nicht fern von
Alexandria im Nildelta lag. Erst Musiker, dann Arzt, widmete
er sich später der Philosophie, und galt für den begabtesten Schüler
des Neuplatonikers Proklos Lykios 2), der 412 geboren, nachdem
er eine Zeit lang das besoldete Lehramt der Philosophie zu
Athen bekleidet hatte, im Jahre 485 starb.») Nach Proklos bekleidete
Marinos Neapolitanos, der Biograph seines Vorgängers,
dasselbe Amt, nach diesem I s idoros Gazäos, zuletzt
D a m a s k i o s D a m a s k e n o s , mit welchem die sogenannte Kette
der platonischen Succession in Athen abbrach, als Justinianus ein
Edict erliess, dass sich niemand mehr Philosophie oder Astronomie
zu lehren unterfangen solle. Damaskios aber nennt den
Asklepiodotos seinen Lehrer, dem er vieles verdanke, s) Aus diesen
Angaben erhellt das Zeitalter des Asklepiodotos mit
1) Suidas, voce Asclepiodotos.,
2) Simplicius ad Arütot. physic, auscultat. IV, comment. 141, nach Jonsius
de scriptorihus hist, philosoph. III, cap. 18 (wo man auch die Reihenfolge
der öffentlichen Lehrer der Philosophie zu Athen angegeben und begründet
findet). Dieselben Nachrichten, nur ohne den Asklepiodotos den übrigen
Schülern des Proklos vorzuziehen, giebt auch Damascius in vita Isidovi
apud Photium, cod. 242, pag. 1052, 1053, 1056 edit. Hoeschelii.
3) Marini vita Prodi, cap. 36.
4) BccaiUig ~Ii>vGriviayog ni^xnGaq ¿iq U^vag h.iXtvae fxri^iva rolfxäv
(f^ikoGotf^iav xal aGjqovoix(av. Anonymus in chronica, nach Alemannus
ad Procopii arcan. histor., cap. 26. Nach Zonaras, annal. XIV, cap. 6, pag. 63,
edit. Paris., traf dies Edict nicht blos die Athener, sondern alle im römischen
Reich öffentlich besoldete Lehrer, weil der Kaiser Geld zu Kirchenbauten
bedurfte. Sieben derselben flüchteten nach Persien zu Kesra Nuschirvan,
worüber mehr im nächsten Bande, Buch IX, Kapitel 2, §. 6.
5) Damascius apud S nid am, voce Asclepiodotos. Seine Quelle verschweigt
zwar Suidas, allein aus der oft wörtlichen üebereinstimmung des
langen Artikels mit des P h o t i o s Excerpten aus des Damaskios Leben
des Isidoros, welches vermuthlich nur einen Theil der Geschichte der Philosophie
des Damaskios ausmachte, ergiebt sich jene Quelle deutlich genug
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