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 130  Buch  VI.  Kap.  2.  §.  16.  
 Mittel  dienen  soll;  in  der  That  enthält  es  aber  nur  früher  noch  
 nicht  vorgekommene  Mittel,  oft  nach  den  Krankheiten  zusammengestellt, 
   oft  auch  nicht.  Buch  XXVI I  beschliesst  die  vegetabilische  
 Arzneimittellehre  mit  einer  Nachlese  von  Pflanzen  
 in  alphabetischer  Ordnung,  so  dass  es  fast  scheint,  als  
 hätte  der  Verfasser  absichtlich,  um  nicht  durch  Einförmigkeit  zu  
 ermüden,  für  jedes  neue  Buch  eine  neue  Methode  gewählt.  
 Das  ist  jedoch  nur  eine  kurze  Uebersicht  des  Hauptinhalts  
 der  sechzehn  botanischen  Bücher;  unberührt  blieben  dabei  zahllose  
 kürzere  und  längere  Abschweifungen  naturhistorischen  historischen  
 mythologischen  grammatischen  u.  s.  w.  Inhahs,  die  der  
 zusammenhängenden  Darstellung  der  an  sich  trockenen  Gegenstände  
 einen  eigenthümlichen  Reiz  verleihen.  Manche  Stellen  sind  
 wahrhaft  erhaben,  und  seltener,  als  das  Zeitalter  des  Plinius  erwarten  
 Hesse,  verirrt  sich  der  oratorische  Schwung  des  Vortrages  
 in  leere  Declamation.  
 Unter  den  zahlreichen  Quellen  der  botanischen  Büc 
 h e r ,  die  Plinius  selbst  nennt,  stelle  ich  des  Theophrastos  
 Schriften  voran.  Sehr  vieles  aus  ihm  ist  wörtHch,  zuweilen  aus  
 Missverständniss  unrichtig  übersetzt,  und was Buch  XV,  sect. 26  sqq.  
 und  XVI,  sect.  30  sqq.,  wie  auch  sonst  noch  zerstreut  über  
 P f l a n z e n n a t u r  im  Al lgemeinen  vorkommt,  lässt  sich  fast  
 ohne  Ausnahme  auf  Theophrastos  zurückführen.  Unter  den  übrigen  
 Quellen,  die  wir  grösstentheils  nur  dem  Namen  nach  kennen,  
 scheinen  Krateuas ,  Niger  und  einige  Andere,  deren  sich  zugleich  
 auch  Dioskorides  bediente,  die  lautersten  zu  sein.  Aber  
 auch  die  unlautersten  Quellen,  die  Bücher  des  falschen  Demok 
 r i t o s ,  Orpheus,  Pythagoras,  Zoroaster,  Osthanes  
 u.  s.  w.,  verschmähete  Plinius  nicht;  und  wie  oft  und  nachdrückhch  
 er  gegen  den Aberglauben  der  Zauberei  und  dergleichen  
 eifert,  verweilt  er  doch  grade  bei  Dingen  der  Art,  z.  B.  Buch  
 X X I V ,  sect.  99  sqq.,  XXV,  sect.  5  sqq.,  mit  unverkennbarer  
 Vorhebe,  mehr  noch  in  den  Büchern  über  thierische  als  über  vegetabilische  
 Arzneimittel.  Proben  davon  gebe  ich  im  dritten  Buch  
 S.  35  und  36.  
 Buch  VI.  Kap.  2.  §.  16.  131  
 Von  Reichthum  eigner  Naturbeobachtungen  kann  bei  der  Lebensweise  
 des  Plinius,  der  schon  einen  Spaziergang  für  Zeitverschwendung  
 hielt,  nicht  die  Rede  sein.  Cigalinii),  ggin  genauer  
 Kenner  und  Lobredner,  dem  daran  lag,  ihn  dem  Dioskorides  gegenüber  
 als  Selbstbeobachter  der  Pflanzen  darzustellen,  beruft  sich  
 zu  dem  Zweck  auf  vier  Stellen,  die  mir  grade  das  Gegentheil  zu  
 beweisen  scheinen,  Am  Schluss  seiner  botanischen  Bücher 2)  sagt  
 Plinius:  „das  ist  es,  was wir  über merkwürdige  Pflanzen  theils  der  
 Ueberlieferung  theils  der  E r fahrung  verdanken  (aut  accepimus  
 aut  comperimus)."  Was  er  aber  unter  Erfahrung  versteht,  zeigen  
 die  andern  Stellen  klar  genug:  nämlich  im  Gegensatz  der  schriftlichen  
 die  mündliche  Ueb  e r l ief  e rung ,  höchstens  vielleicht  
 verbunden  mit  Vorzeigung  der  Gegenstände.  Die  zweite  Stelle 3)  
 lautet  so:  „In  derselben  Provinz  (in  Spanien)  lernte  ich  auf  den  
 Gütern  eines  Gastfreundes  einen  daselbst  gefundenen  sogenannten  
 Dracunculus  kennen  mit  daumendickem  wie  Viepern  geflecktem  
 Stengel,  der  ein  Mittel  gegen  jeden  Schlangenbiss  sein  soll,  verschieden  
 von  den  gleichnamigen,  von  denen  wir  im  vorigen  Bande  
 gesprochen."  Vom  Lithospermum  sagt  er  :  „Nichts  wunderbareres  
 habe  ich  unter  den  Kräutern  erblickt  .  ,  .  Die  Schriftsteller  
 geben  an,  es  liege  nieder  und  krieche  am Boden;  ich  habe  es  abgerissen, 
   nicht  auf  seiner  Wurzel  stehend  gesehen."  Die  Hauptstelle  
 ist  aber  die  letzte.  Er  spricht  von  der  Methode  des  Krateuas  
 und Anderer  die  Pflanzen  abzubilden,  erklärt  sie  für  untauglich, 
   und  fährt  fort^):  „Daher  handelten  die  Uebrigen  in  Worten  
 von  den  Pflanzen,  Manche  nicht  einmal  unter Angabe  der  Gestalt,  
 sondern  nur  des  Namens,  weil  es  hinlänglich  schien,  den  Wissbegierigen  
 ihre  Wirkungen  und  Kräfte  anzuzeigen.  Es  ist  auch  
 nicht  schwer,  sich  mit  ihnen  bekannt  zu  machen;  uns  wenigstens  
 1)  Cigalin.  in  Plin.  Mst.  nat.  edit.  Franz.  II,  pug.  CXXXV.  
 2)  Plin.  hist.  nat. XXVIl,  cap.  13,  sect.  118.  
 3)  Ihid.  XXV,  cap.  2,  sect.  6.  
 4)  Ibid.  XXVII,  cap.  11,  sect.  74.  
 5)  Ibid.  XXV,  cap.  2,  sect.  ö.