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 192  Buch  VIL  Kap.  1.  §.  27.  
 er  aufs  eifrigste  empfiehlt,  abzuschreiben.  Wir  wollen  ihn  deshalb  
 nicht  tadeln:  zu  bedauern  ist  nur  der  mächtige  Einfluss  seines  
 Beispiels  auf  seine  Nachfolger.  Denn  von  nun  an  finden  wir  bei  
 keinem  griechischen  oder  römischen  Arzt  mehr  eigene  Pflanzenbeschreibungen, 
   sondern  entweder  nichts  als  ihre  Namen  und  Wirkungen  
 oder  xiuszüge  aus  Dioskorides.  
 Die  einzige  Pflanze,  die  er  gelegentlich  einmal,  doch  nicht  
 in  den  Büchern  über  die  einfachen  Arzneimittel,  beschreibt  ,  ist  
 seine  Arkus taphyle.  Sie  war  Bestandtheil  eines  zusammengesetzten  
 Arzneimittels,  M^elches  sein  Erfinder  das  pontische  nannte,  
 und  welches  Galenos  mittheilt.  Bei  dieser  Gelegenheit  sagt  er:  
 „Die  sogenannte  Bärentraube  (aQxov  GTacpuh'j)  wächst  im  Pontos,  
 und  ist  eine  niedrige  strauchartige  Pflanze;  sie  hat  Blätter  wie  
 das  Memekylon  (Arbutus  Unedo),  und  rothe  runde  Beeren  von  
 herbem  Geschmack."  Clusius^)  glaubte  darin  unsere  Arbutus  Uva  
 ursi,  Tournefort3)  mit  mehr  W^ahrscheinhchkeit  das  wirklich  im  
 Pontos  häufige  Vaccinium  Arctostaphylos  zu  erkennen,  und  jeder  
 bezeichnete  seine  Pflanze  mit  dem  galenischen  Namen,  den  beide  
 noch  jetzt  führen.  
 Gegen  ein  paar  Verdächtigungen  grober  Irrthümer  muss  ich  
 ihn  in  Schutz  nehmen.  Sehr  bestimmt  unterscheidet  er  in  den  
 Büchern  über  die  einfachen  Arzneimittel''),  nicht  durch  Beschreibung, 
   sondern  durch  Angabe  der  Wirkung,  die  beiden  Pflanzen  
 Moly  und  Raute  {jvrjyavov).  Vom  Moly  sagt  er,  es  werde  von  
 E  ini g e n  wilde  Raut e ,  von  Andern  Harmala,  in  Syrien  Besasa,  
 so  wie  in  Kappadokien  Moly  genannt,  weil  es  eine  schwarze  Wurzel  
 und  milchweisse  Blume  habe.  Neuere  halten  dies  Moly  des  
 Galenos  für  unser  Peganum  Harmala.  Eine  ganz  andere  Pflanze,  
 vermuthlich  ein  Allium,  beschreibt  Dioskorides  s)  unter  dem  Na- 
 1)  Galeni  opp.  edid-  Kühn  pag.  83  sq.  
 2)  Clusii  hist,  plantar,  pag.  63.  
 3)  Tournef  ort  relation  d'un  vogage  du  Levant  {edit.  Paris.  II,  pag.  222.  
 4)  Galeni  opp.  ed.  Kühn  XII,  pag.  82  et  100.  
 5)  Dioscor.  III,  cap.  il.  
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 men Moly,  sagt  aber  dicht  vorher  von  seiner wilden  Raute i)  gleichfalls, 
   in  Kappadokien  und  dem  asiatischen  Galatien  werde  sie  
 Moly  genannt.  Daraus  macht  Haller 2),  Galenos  bleibe  sich  nicht  
 treu,  wenn  er  Besasa  an  verschiedenen  Stellen  3)  den  Samen  der  
 wilden  Raute  nenne,  und  dann  doch  für  das  Moly  erkläre.  Bekanntlich  
 war  Moly  nach  Homeros  der  Name,  womit  die  Götter  
 die  Zauberpflanze  bezeichneten,  welche  Hermes  dem  Odysseus  
 gegen  den  bösen  Zauber  der  Kirke  gab.  Es  sollte  eine  schwarze  
 Wurzel,  eine  milchweisse  Blüthe  haben,  und  sterblichen  Menschen  
 schwer  zu  graben  sein 4).  Mehr  wusste  man  nicht  davon,  aber  jeder  
 war  es  zu  finden  begierig.  So  erhielten  in  verschiedenen  Gegenden  
 verschiedene  Pflanzen  den  geheimnissvollen  Namen  Moly.  
 Galenos  folgte  seinen  Landsleuten;  war  er  dazu  nicht  eben  so  berechtigt, 
   wie Dioskorides,  wenn  er,  ich  weiss  nicht  welcher  andern  
 Auctorität  folgte?  —  In  der  zweiten  Beschuldigung  stimmt  sogar  
 Sprengeis),  Galenos  grosser  Bewunderer,  mit  Haller«)  überein.  
 Plinius'i)  hatte  die  Frucht  des  Erdbeerbaums  (der  Arbutus  Unedo)  
 Unedo  pnannt;  Galenos«)  dagegen  sagt,  die  Frucht  der  Mispel  
 {snif^irjViQ)  würde  von  den  italiänischen  Landleuten  Unedo  genannt.  
 Das  soU  ein  Irrthum  sein,  wo  nicht  gar  eine  Verwechselung  des  
 Erdbeerbaums  mit  der  Mispel,  als  ob  nicht  im  Volk  oft  die  verschiedensten  
 Pflanzen  oder  Früchte  denselben  Namen  führten,  wie  
 z.  B.  bei  uns  Faulbaum  bald  Rhamnus  Frangula,  bald  Prunus  
 Padus,  oder  Preisseibeere  bald  Vaccinium  Myrtillus,  bald  V.  Vitis  
 Idaea  bedeuten.  —  In  der  That  scheint  mir  Galenos  einen  Platz  
 1)  Diöscor,  cap,  46.  
 2)  Hall  er  bihl  hoUj.^  pag.  III.  
 3)  Galeni  opp.  ed.  Kühn  XII,  pag.  940;  XIII,  pag.  2ö7.  
 i )  Homers  Odyssee  übers,  von  Voss,  X,  Vers  304 —  307:  
 „Schwarz  war  die  Wurzel  zu  schaun,  und  milchweiss  blühte  die  Blume/'  
 „Moly  wirds  von  den  Göttern  genannt.  Schwer  aber  zu  graben"  
 „Ist  es  sterblichen  Menschen;  doch  alles  ja  können  die  Götter."  
 5)  Sprengel  ad  Dioscoridem  cap.  175,  
 6)  Haller  L  c.  pag.  113.  
 7)  PI  in.  hisU  nat.  XV^  cap.  24,  sect.  28,  
 8)  Galeni  opp.  ed.  Kühn  XI,  pag.  876.  
 Meyer,  Gesch,  der  Botanik,  IL