ijl^
102
Ii
I
t
¡1-K
B u c h VI. Kap. 1. §. 12.
gel, lassen sie daher zwar auf die fünf ächten Bücher folgen, doch
als zwei besondere Schriften. Bei Saracenus heisst das sechste
Buch Alexipharmaka, das siebte The r i aka . Dazu kommen in
den ächten Büchern einige offenbar unächte Kapitel, die Sprengel
zum Theil ausliess, und Saracenus unter der Bezeichnung Dioskoridis
Notha in einen Anhang verwies. Es waltet in ihnen ein
dem Dioskorides völlig fremder finsterer Aberglaube und, wiewohl
seine eigene Sprache nichts weniger als rein und anmuthig ist,
was er selbst gesteht, und was sein Vaterland und sein bewegtes
Leben entschuldigen, doch auch die Sprache eines weit späteren
Zeitalters. Endlich enthalten viele der ächten Kapitel, vornehmlich
solche, die von Pflanzen handeln, gleich nach dem Namen
derselben ein kürzeres oder längeres Verzeichniss von Synonymen,
welche Saracenus nebst mehrern seiner Vorgänger für unächt
hielt, und in den Anhang unter die Notha verwies, Sprengel
dagegen aufs neue in Schutz nahm, und wieder, wenn auch meist
zwischen Klammern als Zeichen des Verdachts, an ihren Ort stellte.
Es scheint mir unvermeidlich, etwas näher besonders ailf den letzten
Punkt einzugehen.
J e seltener die Alten sichere Merkmale der Pflanzen von zufälligen
Abänderungen der Form Farbe Grösse u. s. w. zu unterscheiden
wussten, desto höheren Werth legten sie auf die genaue
Ueb erlief er ung der Namen und deren Synonyme, welche damals
vermuthlich noch mehr wie jetzt im Munde des Volks von Ort zu
Ort wechselten. Zu den volksthümlichen kamen aber noch die
Geheimnamen, unter denen Magiker Orphiker Pythagoreer und
andere Geheimnisskrämer, von denen ich im dritten Kapitel des
dritten Buches gehandelt, die Zauberkräfte wirklicher oder erdichteter
Pflanzen anpriesen, welche auf bekannte Pflanzen zu deuten
den Wundersüchtigen, um sie zu benutzen, den Männern der Wissenschaft,
um ihren Kuf auf das rechte Maass zurückzuführen,
gleich sehr angelegen sein musste. Auch den Grammatikern, unbekümmert
um die Natur, bot der Wortschwall einer reichen Synonymie
willkommenen Stoff zu gelehrten Untersuchungen. Lange
vor wie nach Dioskorides gab es daher Schriftsteller, die sich
B u c h V L Kap. 1. §.12. 103
besonders mit der Nomenclatur der Pflanzen beschäftigten.
rQaipavTsg Tag ovnf^iaaiag lüv cpaQi^imcüv, nennt sie Galenos i),
oder auch, wie sie sich selbst nannten, ^vricpQatovxsg Einen
derselben kurz vor Dioskorides, doch von ihm selbst wenigstens
nicht genannt, den X e n o k r a t e s lernten wir schon kennen; andere,
wie den Botaniker P amp h i l o s , und noch viel später den
angeblichen A p u l e j u s Platonicus, werden wir in der Folge
kennen lernen. Aus dergleichen Schriftstellern nun, meinten und
meinen noch Viele, wären die Synonyme von späterer Hand an
den Rand des Dioskorides geschrieben, und allmälig in den Text
gekommen. Wirklich fehlen dieselben zum Theil in manchen der
noch vorhandenen Handschriften, oder stehen deutlich als Glossen
am Rande. Man ging aber weiter. Lambecius^) behauptete,
ohne auch nur den Schein eines Grundes anzuführen, diese Benennungen
wären aus der Pflanzengeschichte des Pamphilos,
den er obendrein mit einem weit ältern Pamphilos verwechselte,
entlehnt. Doch davon, wenn ich zu Pamphilos selbst komme.
A c k e r m a n n , der sie früher für ächt gehalten, erklärte später«),
er müsse der Wahrheit die Ehre geben; sie wären aus der lateinischen
Schrift des schon genannten Apulejus , ins Griechische
übersetzt, dem Dioskorides angefügt. Zum Beweise dafür diene,
dass all jene falschen und abgeschmackten Namen, die man bei
Apulejus anträfe, beim Dioskorides griechisch sich wiederfänden.
Das Urtheil eines solchen Kenners der medicinisch-naturwissenschaftlichen
Literatur des Alterthums wiegt schwer, doppelt schwer,
wenn er sich selbst kritisirt; gleichwohl kann ich ihm nicht beipflichten.
Schon bei seiner Bearbeitung des A p u l e j u s de medicaminibus
herbarum hatte er die Uebereinstimmung so vieler bei
diesem und bei Dioskorides vorkommender Synonyme nicht übersehen,
und schloss damals aus dieser Thatsache, Apulejus hätte
den Dioskorides geplündert; jetzt schliesst er umgekehrt, die Ab-
1) Galeni opp. ed. Kühn X I X , pag. 105.
2) Ibidem XI, pag. 793.
3) Lamhecii commentarii etc. ed. Kollar II, pag. 259.
4) Achermann in Fabric. biblioth. graec. ed. Harles IV, pag. 681.