292 B u c h Vili. Kap. 1. §. 46.
ben Art, mit gereinigter Nase wittere man darin den Theodoras
nicht bloss, sondern man greife ihn mit Händen; so ganz enthielte
es dieselben Ausdrücke, Kedewendungen und Lehre. Es
scheint mir aber nicht unmöglich, dass Simon den Liber Physicus
als Antidotarius bezeichnete, so dass nur das einzige Buch de
Simplici medicina verloren gegangen wäre. Die einzige Zusammensetzung,
die er daraus in den beiden Artikeln Alakion und
Kerbes citirt, steht freilich nicht darin, stammte aber auch vermuthlich
gar nicht von Theodorus her, sondern war wohl nur zufällig
einem Exemplare desselben, dessen sich Simon bediente,
angefügt. Denn es soll bis auf zwei arabische Worte genau die
dritte Confectio anacardina des Avicenna^) sein, und nur zur Erklärung
jener beiden ihm unbekannten arabischen Wörter benutzt
Simon die angebliche Vorschrift des Theodorus, welche dafür lateinische
Ausdrücke giebt. Doch will ich nicht verschweigen, dass
Theodorus selbst zweimal in seinem Liber Lpgicus auf seinen
Liber Physicorum, nicht Antidotarius verweist^).
Was die A u s g a b e n betrifft, so will ich deshalb lieber auf
Schweiger und Choulant verweisen, als sie abschreiben. Ich besitze
davon leider nur die beiden öfter genannten strasburger
Sammlungen, von denen die erste von 1533 nur die Diäta, die
zweite unter dem Titel Experimentarius medicinae von 1544 alle
fünf noch vorhandenen Bücher des Theodorus enthält. Sie ist die
einzige vollständige, leider nur eine höchst incorrecte Ausgabe.
Für den Fall, dass einmal eine neue Ausgabe unternommen würde,
macht Daremberg^) auf zwei wichtige Handschriften des Theodorus
aufmerksam; die Eine in Brüssel enthält vier, die andere in
Berlin nur drei Bücher, aber mit beträchtlichen Zusätzen.
1) Avicennae canonis Hb, V^ summa tractat. torn, 11^ pag, 264 edit,
latinae VeneL apud. Valgrisium 1564 foL
%) Sämmtliche Wechselbeziehungen der vier ersten Bücher auf einander
sammelte Fabric, hibh latin, ed, Ernesti /i7, pag. 540 sq.
3) Janusj herausgegeben von H e n s c h e l II, S. 473.
Buch VIIL Kap. L §. 46. 293
Freind*) bemerkt im Allgemeinen, dass sich nach Galenos
alle Spuren medicinischer Sekten verlören; Vindicianus und
T h e o d o r u s Priscianus wären zwar Methodiker, doch schienen
ihre Werke nur Copien anderer älterer Schriftsteller dieser
Klasse zu sein. Warum ihm das so scheint, verschweigt er, und
ich weiss nicht, ob es der historischen Kritik entspricht, allgemeine
Sätze als Thatsachen aufzustellen, und hinterdrein die ihnen widersprechenden
Zeugnisse durch hingeworfene Hypothesen weg zu
interpretiren. Eine Stütze hätte Freind seiner Hypothese durch
die Bemerkung geben können, dass unser Theodorus so viele
ältere Aerzte, am häufigsten unter allen den Hippokrates, und
nicht ein einziges mal den Galenos citirt. Gleichwohl kann ich
nicht glauben, dass seine Schriften kein Product seiner eigenen
Zeit wären, deren Stempel sie vielmehr in Sprache und Denkweise
so deutlich an sich tragen. Unzählige mal spricht Theodorus von
seiner eigenen Behandlungsweise, die er sogar derjenigen anderer
Aerzte zuweilen entgegen stellt, und eine so hohe Meinung hegt
er von sich selbst, dass er es unverhohlen ausspricht, sein wahres
Verdienst würde erst die Nachwelt anerkennen^). Auch als Verächter
der Wissenschaft hat man ihn dargestellt^); er eifert jedoch
nur gegen die spitzfindigen Zänkereien am Krankenbette, und
gegen die Verordnung seltener kostbarer Mittel, wo seiner Erfahrung
gemäss Hausmittel genügten^). Von Verachtung der Wissenschaft
überhaupt ist er so fern, dass er sogar, ein ächter Zögling
griechischer Sophistik, mit seiner Kenntniss nicht nur alter
1) Freind histoire de la médecine depuis Galien, Traduite de VAnglois par
Coulet. I , pag. 66,
2) Auf sich und seinen Lehrer Vindicianus wendet er die Verse des
Satyros an :
Parva coronato plausere theatra Menandro^
Riseruntque suum saecula Maeonidem.
Praefat. ad Hb, /F, pag, 81,
3) Hecker^ Gesch. d, Heilkunde S. 30.
i) Praefat, ad Jib, 1.
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