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282 Bu c h VIIL Kap. 1. §. 44.
rechtigt, ist vornehmlich die fünfte seiner neun Predigten über
das s^'echsfägige Schöpfungswerk nach Moses (Homilia VI in
Hexaemeron). Sie behandelt den Text: „Und Gott sprach: Es
lasse die Erde aufgehen Gras und Kraut, das sich besame, und
fruchtbare Bäume, davon ein jeglicher nach seiner Art Frucht trage
und habe seinen eigenen Samen bei sich selbst auf Erden." Diese
Rede, gleich den 'übrigen, ist eine wunderbare Verschmelzung
wahrer Wissenschaft, hoch poetischer Phantasie, starren Glaubens
an den Buchstaben und die kirchliche Auslegung der Schrift,
und einer das Ganze durchdringenden acht gottseligen Frömmigkeit.
Den Anfang macht in wenigen Zügen eine freilich noch rohe,
doch im Ganzen richtige Beschreibung des Verlaufs der pflanzl
i c h e n Metamorphose vom Keimen bis zur Fruchtreife. Dann
folgt die wunderliche Deutung: weil Einige die Sonnenwärme für
die Erzeugerin aller Pflanzen hielten, so hätte Gott, gewissermassen
um sie im voraus durch die That zu widerlegen, die Pflanzen
Einen Tag früher erschaff'en als die Sonne. — Es könnte sich
jemand daran stossen, dass die Schrift allen Pflanzen Samen zuschreibt,
da es doch bekannt wäre, dass das Schilf das Gras
die Mentha der Safran das Lauch der Butomus und viele andere
Kräuter keinen Samen trügen. Hierauf antwortet Basilios,
viele Kräuter hätten im Strunk und in der Wurzel das Vermögen
der Samen, wie denn auch das Schilf nach Jahresfrist aus der
Wurzel einen Trieb mache, der wie der Same zur Fortpflanzung
diene. Andere Kräuter vermehrten sich auf verschiedene andere
Weise, und darauf bezögen sich die Worte des Textes: jegliches
nach seiner Art. Von den Bäumen behauptet Basilios weiterhin
dasselbe, auch Pappeln Weiden Ulmen Silberpappeln und mehr
dergleichen trügen zwar scheinbar keine Frucht, wohl aber fände
man bei genauerer Untersuchung ihren Samen. Denn das unter
den Blättern liegende Auge, welches Einige Mi s chon nennten,
verträte bei ihnen die Stelle des Samens. Die Keimung Ernährung
und das Wachsthum der Kräuter werden flüchtig, doch
nicht übel beschrieben, etwas ausführlicher der Grashalm mit sei-
Buch VIIL Kap. L §. 44. 283
nen Knoten, die Aehre mit ihren Spelzen und Grannen. Nun
folgt das Teleologische, der Nutzen sogar giftiger Pflanzen in
der gewöhnlichen Weise; doch wird wenigstens so viel ausdrücklich
behauptet, dass keineswegs die ganze Schöpfung nur für den
Menschen da sei, sondern vieles dem Menschen Schädliche im
Zusammenhang der Dinge einem andern Zweck diene. Nur, dass
die Organismen zunächst Zweck an sich selbst sind, finde ich
nicht gradezu ausgesprochen, wiewohl es sich ungezwungen hineinlesen
lässt. Gegen die den Alten so geläufige Umwandlung gewisser
Pflanzen in einander wird lebhaft protestirt. Die schwarzen
Körner, die man oft statt des ausgestreuten Weizens erndte
(offenbar Mutterkorn), wären keine andere Art, sondern eine
Krankheit des Weizens, erzeugt durch zu grosse Kälte. Der
Lolch (Aira) und dergleichen mehr, in was der Weizen ausarten
solle, wären Unkräuter eigener Art, die nur zwischen dem Weizen
wüchsen. Daran knüpfen sich dann wieder allerlei Wunderdinge;
wie sich Blumen und selbst die höchsten Bäume mit ihren
Früchten im Zeitraum weniger Stunden entwickelt hätten; wie
die Rose ursprünglich dornenlos erschaffen wäre, und mehr dergleichen
zur Ausschmückung des Paradieses. Gebührend anerkannt
wird die Shwierigkeit, die Eigenthümlichkeiten und Verschiedenheiten
der verschiedenen Pflanzen, oder gar deren Gründe zu
erforschen; wobei manche Hauptunterschiede hervorgehoben werden.
In einzelnen Fällen versucht Basilios den Zusammenhang
der Erscheinungen zu errathen, und da stossen wir auf seine
schwache Seite. Pflanzen mit weicherer Frucht bedürften derberer
Blätter zum Schutze jener, wie die Feige. Das Weinblatt sei
eingeschnitten, damit die Traube die Sonnenstrahlen nach Bedürfniss
vermeiden oder empfangen könne. Denn durchaus nichts,
setzt er wieder mit vollem Recht hinzu, geschehe ohne bestimmten
Grund; nichts sei zufällig, sondern in allem liege tiefe Weisheit
verborgen u. s. w. — Eine so frische Auff'assung der Natur
in anmuthiger Darstellung ist um so erquicklicher, je dürrer die
Zeit, in der wir ihr begegnen.
Die Ausgaben der Werke des Basilios gehe ich nicht durch,