350 Buch VIII. Kap. 3. §. 53. B u c h VIII. Kap. 3. §. 53. 351
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gistro ^ * RA. PA. infimus clericus. Wie Aldrovandi, der die
Kyraniden in seiner Ornithologie vielfach benutzte, darin den Namen
Gerardus Cremonensis wittern konnte, ist unbegreiflich,
doch bald gedankenlos nachgeschrieben, bald zwar gerügt,
aber ohne dass man etwas Glaubhafteres vorgebracht hätte. Ich
lese in jenen vier Buchstaben, — und das ist das erste Resultat
meiner Untersuchung, was ich nicht unterdrücken möchte, — den
abgekürzten Namen R a imu n d u s Palmensis. Bekannter ist der
Mann unter dem Namen Raimundus Lul lus, aber geboren zu
Palma auf Majorca. Auf ihn, und zwar auf ihn allein, passen alle
Umstände: 1. die Namensabkürzung Ra. Pa., — 2. der Stand eines
Klerikers, — Lullus ward nach einem ausschweifenden Jugendleben
Eremit, dann Missionar unter den Arabern, endlich Franciscanermönch
; — 3. das Zeitalter, — er lebte von 1235 bis 1315; der älteste
Schriftsteller, der die Uebersetzung der Kyraniden benutzte, Simon
Januensis um 1300; aber Albert der Grosse, der etwa 50 Jahr früher
blühete, kannte sie noch nicht —; 4. der Hang zum Uebernatürlichen,
— galt doch Lullus stets für einen der grössten
Goldmacher und Zauberer des Mittelalters; — 5. die Schreibart, —
die Italicismen, die man im Latein der Kyraniden zu finden meinte,
können eben so gut Hispanismen sein ; — 6, die nicht selten eingemischten
arabischen Ausdrücke, wie Kelefia^), für eine Art
Hautausschlag, Sifukion^), für die harte Magenhaut der Vögel
u. dergl. m., — bei einem Italiäner wären sie befremdend, weniger
schon bei einem Spanier, am wenigsten bei einem Missionar
unter den Arabern. Ich füge noch das negative Argument hinzu,
dass ich unter allen Gelehrten des Zeitalters in Fabricii biblioth.
latin. med. et inf. aet. und andern Werken der Art ausser Lullus
keinen gefunden habe, der auch nur mit der leisesten Wahrscheinlichkeit
für den Uebersetzer gehalten werden könnte.
Der zweite Punkt, der der Prüfung bedarf, ist die Sprache
des Originals. Nach zwei verschiedenen Einleitungen, angeb-
1) Vergl, Linmäa^ herausgegeben von Schlechten dal ^ X (1836)^ S, 649f.
2) Kir anide s ec?. Rhjakini ^ pcig- 21,
3) Ibidem, pag, 117.
lieh die eine von einem P e r s e r k ö n i g Kyranos, die andere
von einem Alexandriner Harpokration, soll sich das Original
irgendwo im Orient als Inschrift auf eisernen Säulen in syr
i s c h e r Sprache gefunden haben. Conring und einige Andere
hielten es für eine Uebersetzung aus dem A egypt i s ehen , der
jüngere Scaliger, Salmasius, Reinesius und Andere, aus dem Arab
i s e h e n , und diese Meinung erwarb sich vornehmlich durch die
arabischen Worte, die Reinesius in der Uebersetzung nachwies,
den meisten Beifall. Mir scheint es gleichwohl ein rein griechis
c h e s Product zu sein. Denn dass die erste Angabe blosse Einkleidung
des unbekannten Verfassers sei, verkennt niemand; und
die beiden modernen Meinungen haben, wie ich zeigen werde,
sehr wenig für, desto mehr gegen sich; für ein griechisches Original
aber fehlt es auch an positiven Gründen nicht.
Aus dem Aegypt ischen sollte das Werk übersetzt sein,
weil es Olympiodoros, der älteste Schriftsteller, der es anführt,
dem Hermes zuschreibt, weil ein Aegypter bei Dion Kassios den
Namen Koiranos führt, woraus man folgerte, der Name wäre
ägyptisch, und weil es im Texte nicht an Spuren ägyptischen
Aberglaubens fehlt. Aber dem Hermes bürdete man bekanntlich
fast alle Schriften ähnlicher Art auf; daraus, dass ihm auch diese
aufgebürdet ward, folgt also nichts. Den Namen Koiranos finden
wir schon bei Homeros ; später bei Tacitus führt ihn gleichfalls
ein ächter Grieche, und wie konnte es in Alexandrien an griechischen
Namen fehlen ? Das beweist also auch nichts. Aegyptische
Afterweisheit endlich war längst überall verbreitet, und beweist
daher eben so wenig einen ägyptischen Ursprung der Schrift.
Für die a r abi s che Abkunft berief, man sich besonders auf
die im Text vorkommenden arabischen Wörter, und auf die Aehnlichkeit
des Namens Kyranis oder Koiranis, wofür man Kur ani s
zu lesen vorschlug, mit dem arabischen Qoran, welches genau
dem griechischen Biblia, Bücher ^entspricht. Auch scheint, wenigstens
in unsern Ausgaben der lateinischen Uebersetzung, König
Kyranos selbst dieser Meinung zu huldigen, indem er mit den
Worten anhebt: „Grosses Geschenk der A o;ar en er Denn nach
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