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272 B u c h VIL Kap. 2. §. 42.
len, meist seltenen Büchern man, was bis jetzt von ihm gedruckt
ist, zusammensuchen muss. Anderes soll, wie Büssemaker und
Daremberg schon auf dem Titel des ersten Bandes ihrer neuen
Ausgabe versichern, noch ungedruckt in Handschriften existiren,
aber^wann wird es endlich erscheinen? Zum Theil entsprangen
aus diesem heillosen Zustande unsrer Ausgaben seiner Werke,
die ihren Gebrauch so unsägUch erschweren, auch die so abweichenden
Urtheile über sein Verdienst; denn gewiss Wenige seiner
Beurtheiler dürfen sich rühmen ihn gründlich studirt zu haben.
Einige derselben erhoben seine Verdienste maaslos; Andere
sahen in ihm nur den AiFen des Galenos. Auch ich kenne ihn
viel zu oberflächlich, um mir ein Urtheil anzumaassen, zumal
über seine medicinischen Leistungen; nur so viel auszusprechen
sei mir vergönnt. Wie hoch er auch über andere Aerzte seines
Zeitalters hervorragen mag, der tiefen Versunkenheit jener Zeit
überhaupt konnte er sich doch wenig überheben. Die charakteristische
Form der zusammengestoppelten Excerpte, und der
Excerpte aus diesen Excerpten gab er seinen Werken gewiss
nicht, wie Hecker meint, weil auch sein Kaiser nur in den Werken
der Vergangenheit Nahrung suchte; denn Oribasios scheint
mehr auf den Kaiser als dieser auf ihn gewirkt zu haben —:
sondern weil die Flamme schöpferischer Kraft erloschen war, und
nur noch schwache Funken von ihr im Gemüth des Bessern von
der Erinnerung an jene grössere Zeit sich kümmerlich nährten.
Dass Oribasios gut ausgewählt, das Gewählte zweckmässig geordnet,
und sogar manches Schätzenswerthe aus eigener Erfahrung
hinzugethan, rechne man ihm immerhin hoch an; nur folgere
man daraus nicht wie Hecker: hätte er gewollt, es hätte bei ihm
gestanden originell zu sein.
Das^ Oribasios die gewöhnlichen Arzneipflanzen
kannte, lässt sich nicht bezweifeln; wie hätte er sonst unter Barbaren,
fern von den Pharmakopolen, die den Aerzten unter Gebildeten
zur Seite standen, mit Glück praktisiren können? Die
beiden Bücher XI und XII seiner Collectaneen, welche von den
Arzneipflanzen handeln, sind aber, abgesehen von der alphabeti-
B u c h VIL Kap. 2. §. 42.
sehen Anordnung, wörtlich aus Dioskorides genommen, dessen
Text sie hin und wieder zu berichtigen dienen, ohne uns ausserdem
zu fördern. Um indess über den Werth des Oribasios für
Geschichte der Pflanzenkunde ein richtiges Urtheil zu fällen,
müssten erst alle in seinen drei Hauptwerken zerstreut und überaus
zahlreich vorkommenden Pflanzen gesammelt, und nach den
Schriftstellern, in deren Fragmenten sie sich finden, gesondert
werden; eine Arbeit, die noch dadurch erschwert wird, dass ,sich
in den nur lateinisch vorhandenen Werken oft schwer verrathen
lässt, welchem griechischen Namen das gewählte lateinische entsprechen
soll.
Und so mag das Gesagte vorläufig nur dazu dienen, uns den
Zustand der Wissenschaften überhaupt in der merkwürdigen Zeit,
in der Oribasios lebte und wirkte, in der Zeit des letzten grossen
Kampfes zwischen Heidenthum und Christenthum, zu vergegenwärtigen.
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