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52 B u c h Y. Kap. 1. §. 6.
selbst nicht mehr zu haben gewesen oder gar zu Grunde gegangen
wäre, lässt sich nicht denken ; noch weniger, dass der gewissenhafte
und weitschweifige Galenos ein Werk, das er gar
nicht kannte, ohne eine Bemerkung darüber dreimal ganz besonders
empfohlen hätte. Das Werk muss also niemals existirt haben.
Die zwölf Recepte konnten sich aber theils durch Ueberlieferung
wirldich von Antonius Musa herschreiben, theils zu grösserer
Empfehlung ihm angedichtet sein. Bei dem Eecept unter i.
heisst es sogar: „Asklepiades beschrieb es, und man sagt, es
sei von Antonios Musas." Dazu kommt, dass der Name Petronios,
so gut er einmal in Antonios entstellt zu sein scheint, dieselbe
Entstellung öfter erfahren haben kann. Das wird sich zeio
en, sobald wir einmal eine mit kritischem Apparat versehene
Ausgabe des Galenos erhalten werden. Für jetzt bemerke ich nur
noch, dass, wenn ich den Registern des Brassavola und der
kühnschen Ausgabe trauen darf, auch ein einziges Recept eines
gewissen P e t r o n i o s bei Galenos vorkommt, und zwar tom. XIIl,
pag. 831; ob aber des unsrigen, oder irgend eines obscuren Arztes,
von denen Galenos so manches Recept verewigte, lasse ich
dahin gestellt sein.
Versuchen wir nunmehr, die Zei t des Pet ronios , den ich
jetzt mit Zuversicht P e t r o n i o s Musas zu nennen wage, zu ermitteln.
Galenos stellt ihn in seiner dritten Liste (worin er unrichtig
Antonios genannt wird) nebst dem M e n e k r ates zwischen
den Heras Kappadox und Andromachos, ohne Zweifel
den Vater als den berühmteren. Heras war, wie wir bereits
fanden, wenig jünger als Antonius Musa, dessen Kur des Augustus
in das Jahr 8 fällt; aber älter afe Celsus, der ihn citirt i),
und dessen medicinisches Werk wir mit Kissel in den Anfang der
vierziger Jahre unsrer Zeitrechnung setzten: er schrieb also
zwischen den Jahren 10 und 40. Andromachos schrieb sein
Gedicht vom Theriak, wie ich bei der Zeitbestimmung des Demokrates
gezeigt habe, schwerlich später, wahrscheinlich etwas frü-
1) Geis. F, cap. 22, sect. 3 und cap, 28, .sect, 4.
B u c h V. Kap. 1. §. 6. 53
her als im Jahr 60, ganz zu Anfang der Regierung des Nero,
dem er das Gedicht widmete. Es bleibt zu untersuchen, wann
M e n e k r a t e s lebte? Eine unstreitig auf ihn bezügliche Inschrift i)
lautet so: „dem T ibe r ius Claudius Kureina Menekrates,
dem Arzt der Kaiser und Schöpfer einer logisch sichern Heilkunst
in 155 Büchern, für die er geehrt ward durch berühmter Städte
obrigkeitliche Beschlüsse, errichteten die Anhänger ihrem Meister
{aiOEOicxQXjj) dieses Denkmal." Er führte also die kaiserlichen Namen
T i b e r i u ^ Claudius, ohne Zweifel als Freigelassener eines Kaisers
Aber welches ? des T ib er iu s (Claudius) Nero, der von 14 bis 38,
oder des (Tiberius) C l a u d i u s Drusus, der von 41 bis 54 regierte?
Le Clerc, Fabricius, Haller, Sprengel und Andere, alle verstehen den
T i b e r i u s , weil Menekrates mit dem Musa, den sie für den Ant
o n i u s Musa hielten, ungefähr gleichen Alters sein soll. Dieser
Grund fällt für uns weg. Der Zeitgenosse des P e t r o n i u s Musa,
den Dioskorides zu den jüngeren rechnet, muss jünger sein, folglich
Arzt des Claudius Drusus und seines Nachfolgers Nero
Claudius. Weil aber ohne Zweifel bald nach des letztern Regierungsantritts
im Jahre 54 Andromachos als dessen Arzt genannt
wird, und wir aus jener Zeit kein Beispiel haben, dass ein Kaiser
mehrere Aerzte zugleich regelmässig gebrauchte, so müssen
wir annehmen, Menekrates sei bald nach 54 gestorben,
und nicht sehr lange vor oder nach ihm auch P e t r o n i u s Musa.
Ist dies Resultat der langen Untersuchung werth ? Für sich allein
gewiss nicht; es ist aber nicht das einzige. Nachdem ich einmal
der Verwechselung des Antonius und Petronius auf die Spur gekommen
war, hielt ich es für Pflicht, sie so weit mir möglich zu
verfolgen, und gründlich zu untersuchen, ob die sich vielfach verschlingenden
chronologischen Momente, die sich feststellen lassen,
für den wiedererweckten Petronius Musa Platz lassen oder
1) Abgedruckt unterandern in Fabric hihlioth. graec. X I I I , pag. 333;
auch In Sprengel's Gesch. d. Medic. II, {dritte Aufl.) S. 72, wo sie jedoct
etwas abweichend lautet, und Sprengel veranlasste, aus der logisch
s i c h e r n , das heisst rationellen oder dogmatischen Heilkunst eine medi c in
i s c h e Logik zu machen.