• - !
Buch VIII. Kap. 5. §. 60.
auf die Gleichzeitigkeit der Handschriften, nicht der Verfasser
oder Uebersetzer zu reduclren.
Dem verwaisten Kinde einen neuen Vater zu geben, versuchte
G ü n t z in seiner Dissertation de auctore operls de re medlca
vulgo Pllnlo Valerlano adscrlptl, Llpslae 1736, 4. Marcellus Empirfcus
nennt In der schon öfter benutzten Stelle als die jüngsten
medicinlschen Schriftsteller, die er benutzt habe, drei Illustre, also
mit hohen Würden bekleidete Männer, den S lbur ius , Eutrop
l u s und Ausonius. Den ersten derselben kennen wir ausserdem
aus dem theodosianischen Codex 0 als Praefectus praetorio
Im Jahr 379, und aus den Briefen des Symmachus 2) als dessen
Freund. Ihn hielt Güntz für den Verfasser unseres Werks. Ich
habe seine Schrift nicht gelesen. VermuthHch meinte er Spuren
der Benutzung der Medlclna Plinlana bei Marcellus Emplricus
entdeckt zu haben. Mir ist das nicht gelungen, wiewohl eine gewisse
Aehnllchkeit beider Werke in Absicht und Ausführung zu
Tage liegt. Gesetzt aber, der Verfasser des Einen Werks hätte
das des andern wirklich benutzt, so sehe Ich doch nicht ein, warum
grade Slburius des Einen Verfasser sein soll, eben so wenig,
warum Marcellus unsern Compllator, und nicht umgekehrt dieser
jenen benutzt haben soll.
Was mich aber bestimmt, das ganze Werk für beträchtlich
jünger zu halten als den Marcellus Emplricus, das ist die Benutzung
des Alexandros Tralllanos zum fünften Buch. Die Möglichkeit,
dass die drei ersten Bücher vor Marcellus gesammelt,
und die beiden letzten oder auch nur das letzte von einem Späteren
hinzugefügt wären, lässt sich zwar nicht leugnen, und Oehler
schhesst sogar in seinem schon angeführten Schreiben an Choulant
aus dem besondern Titel des letzten Buchs Im londoner Codex,
diess Buch „würde aus dem Texte des Pllnlus ganz auszuscheiden
sein." Allein die Thatsache, dass alle bis jetzt aufgefundene
Handschriften sämmtliche fünf Bücher In gleicher Ordnung
B u c h VIIT. Kap. 5. §. 60. 403
1) Codex Theodos. XI, tit. 31 {de reparatione appellationum), lex 7.
2) Symmachi epistolae , I I I , epist. 43, 44; 45.
enthalten, zeugt denn doch entschieden für das Gegenthell, für
einen einzigen Redacteur der ganzen Sammlung, und dass er den
verschiedenen Büchern nach Quelle und Inhalt verschiedene Namen
gab, hat nichts AufTallendes; machte es doch unterandern
Theodoras Priscianus eben so, und niemand schliesst daraus auf
verschiedene Verfasser seiner Bücher. Liber dlaetarum dlversorum
medicorum, h. e. Alexandrl et aliorum, war für das fünfte Buch
unseres Werks ein eben so passender Titel, wie für die drei ersten
Medlclna Plinlana. Ohne Zweifel führte auch das vierte Buch
einen Separattitel, etwa de viribus herbarum ex Gargilio, oder
einen ähnlichen, und das Ganze hiess vermuthlich, wie sich bei
Torinus vor jedem Buche wiederholt (Anonymi), de re medica
(libri V). Aus diesen Gründen stelle ich es, so lange der Beweis,
dass seine verschiedenen Theile verschiedenen Zeiten angehörten,
fehlt, mit grosser Zuversicht zwischen Alexandros Tralllanos
und Benedictus Crispus, den ältesten Schriftsteller, der es,
wie sich bei ihm zeigen wird, benutzte, das heisst ungefähr in
die Jahre 565 bis 681. Ja ich gehe noch einen Schritt weiter.
Die Benutzung des Alexandros, der so bald nach seinem Tode
schwerlich einen lateinischen Uebersetzer fand, verräth unseres
Sammlers Kenntniss der griechischen Sprache. Besass er diese,
und benutzte er gleichwohl den jüngern Paulos Aeglnetes, der
ihm weit bequemeres Material darbot, nicht, so lässt sich wenigstens
vermuthen, dass er älter war als Paulos, und demnach ein
Zeitgenosse des Isidoras Hispalensls, also ungefähr um 600 schrieb.
Nun erst, in Folge dieser Zeitbestimmung, die mir, wie schwankend
sie sein mag, vielen anderen in der Literargeschichte allgemein
anerkannten an Zuverlässigkeit nicht nachzustehen scheint,
gewinnt das an sich elende Machwerk historischen Werth. Es ist
in lateinischer Sprache das einzige umfassendere Document der
Medicin aus einem literarisch höchst armen Zeitalter, und bietet
dem Botaniker wenigstens alles, was er aus dieser Zeit erwarten
kann, eine reichhaltige Nomenclatur vegetabilischer ArzneistofFe
dar. Neben ihm steht aber aus demselben Zeitalter in griechischer
Sprache das Werk des Paulos Aeglnetes, und die Ver-
26 *
i
'iiiI I
a