12 B u c h 1. Kap. 1. §. 2. B u c h I. Kap. 1. §. 2. 13
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umfasste, als Philosophie Poesie Geschichte Eechtskunde u. s. w.
wissen wir. Das also, und nichts weiter, liegt in jenen Worten:
auch Celsus machte in seiner Khetorik an den Redner dieselben
Ansprüche wie Cicero, und hatte darin über all jene Hülfsquellen
der Beredtsamkeit das Nöthige zusammengeschrieben. An besondere
Geschichts- und ßechtswerke ist dabei vollends nicht zu denken.
So schrumpft die vermeintliche Universal-Enkyklopädie des
Celsus auf zwei, höchstens drei Werke, wiewohl das schon unwahrscheinlich
ist, die ein gemeinschaftlicher Titel verband, zusammen.
Uebrig bleiben nur noch des Quintiiianus Urtheil: „ein
M a n n von mi t telmäs s igem Kopf", und des Plinius Stills
c h w e i g e n über ihn als Arzt. Auch damit hat es wenig auf
sich. Quintiiianus urtheilt über Celsus als Redner im Vergleich
mit Cicero; in solcher Zusammenstellung war schon eine Annäherung
ehrenvoll. Dazu wissen wir jetzt durch Kissel, dass die Rhetorik
des Celsus frühestes Werk war; von dessen Werth sich natürlich
nicht auf den Werth seiner spätem und reifern Werke
schliessen lässt. Plinius, der in seinen TJrtheilen über Aerzte und
Medicin überhaupt Leidenschaft verräth, macht den Aerzten vornehmlich
zwei Vorwürfe: den häufigen Wechsel einander widersprechender
Systeme und Methoden, und den Missbrauch der
Kunst zum wucherischen Gewerbe. Nur diejenigen Aerzte zählt
er auf, die zu Rom entweder neue Schulen solcher Art gründeten,
oder übertriebene Honorare nahmen. Dem Celsus gereicht
es zur Ehre, in keiner von beiden Klassen genannt zu werden.
Uebrigens kennt ihn Plinius sehr gut, zweimal citirt er ihn zu
medicinischen Angaben, die wir in dem Werke des Celsus wiederfinden^),
und bei zwanzig unter seinen sieben und dreissig Büchern
nennt er ihn unter den Quellen, Avoraus er geschöpft 2).
Dazu kommt die überaus günstige Meinung, die Columel l a von
Celsus und seinem agronomischen Werke hegte. Er spricht davon
nicht nur überall, selbst wo er abweichender Meinung ist, mit
1) PI in. XXVII, cap. 13, sect. 108; X X , cap. 4, sect. 14. Vergl. Celsus
II, cap. 33; IV, cap. 24.
2) Nämlich zu den Büchern 7, 8, 10, 11, 14, 15, 17 — 29, und 31.
wahrer Achtung, sondern einmal nennt er sogar den Verfasser
selbst „einen mit der gesammten Natur vertrauten
M a n n ; " und dieses Urtheil ist es vornehmlich, was mein langes
Verweilen bei Celsus veranlasst und hoffentlich rechtfertigt. Was
woUte Columella, was konnte er mit Recht mit jenem Ausdruck
über Celsus sagen? Nannte er ihn nur darum vertraut mit der
gesammten Natur, weil Celsus wie Cato die Arzneikunde mit der
Landwirthschaft verband? oder erklärte er ihn für einen ächten
Naturforscher im griechischen wie im modernen Sinne des Worts?
Diese Frage nöthigt uns zu einer etwas näheren Betrachtung der
Philosophie Landwirthschaft und Medicin des Celsus.
Aus seinem phi losophischen Werke erhielt sich nicht das
kleinste Fragment, und nur zwei Urtheile lassen sich, das eine
mit Sicherheit, das andere mit Wahrscheinlichkeit darauf beziehen.
Quintiiianus 1) nennt den Cornelius Celsus, indem er die philosophischen
Schriftsteller der Römer durchgeht, einen Anhänger der
S e x t i e r 2 ) , und rühmt, derselbe hätte über Philosophie nicht weniges
mit Geschmack und Eleganz geschrieben. Die Philosophie
der Sextier, wiewohl wir sie aus einigen Stellen Seneca's nur sehr
oberflächlich kennen, scheint sich auf eine strenge Sittenlehre und
Lebensordnung beschränkt zu haben 3). Daraus folgt jedoch nicht,
wie Kissel zu glauben scheint, dass auch des Celsus Werk rein
ethischen Inhalts war. - Augustinus sagt irgendwo : „Die Meinungen
aller Philosophen, welche verschiedene Secten gründeten,
1) Quintilian. X, cap. 1, sect. 124.
2) Die Lesart Scepticos statt Sextios secutus, ward längst als unrichtig verworfen.
3) Fl i n. XVIII, cap. 28, sect. 68 erzählt von Demokritos die Anekdote,
er hätte einst, eine Misserndte der Oliven voraussehend, sehr viel Oel aufgekauft,
sich aber des daraus gezogenen Gewinns freiwillig wieder entäussert,
blos um zu zeigen, dass die Weisheit den Weisen, wenn er wolle, auch
bereichere. „Dasselbe, setzt Plinius hinzu, that später unter den römischen
Anhängern der Weise Sext ius zu Athen auf gleiche Weise." Daraus auf
des Sextius tiefe Naturkenntniss zu schliessen, überlasse ich Andern.
4) Augustinus de haeresibus in praefat., abgedruckt bei Bianconi pag.
98 und Kissel Seite 54.