122 B u c h VI. Kap. 2. §. 14.
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eintrat, der der ganzen Küste eine andere Gestalt gab, und unterandern
auch Pompeji und Herculanum begrub. Eine Wolke in
Gestalt einer riesenhaften Pinie erhob sich wie ein mächtiger Stamm
mit flach verbreiteten Aesten vom Vesuv aus. Sogleich ging Plinius
mit einem leichten Fahrzeug unter Segel, um das Phänomen
näher zu beobachten. So bald er aber die Gefahr der am Fuss
des Vesuvs gelegenen Ortschaften, denen nur zur See ein Ausweg
offen stand, erkannt hat, ?ieht er grössere Schiffe zur Rettung
heran, und er selbst geht mit dem Ausruf: den Kühnen begünstigt
das Glück! nach Stabiä, um einem dortigen Freunde beizustehen.
Unter der Fahrt, während Asche- und Steine auf sein
Schiff fallen, und die Mannschaft zagt, dictirt er seine Beobachtungen.
Zu Stabiä hatte der Freund bereits alles zur Flucht über
Wasser für sich und die Seinigen vorbereitet, doch der Westwind
gestattete nur das Ein- nicht das Auslaufen, während die Gefahr
mit jeder Stunde stieg. Plinius, um durch sein Beispiel zu ermuthigen,
badet speiset und begiebt sich zur Ruhe; die Bewohner
bleiben wach. Gegen Morgen werden Aschen- und Steinf'all
so stark, die Erderschütterungen so heftig, dass man Plinius weckt
aus Furcht, der Vorhof, an welchen sein Schlafgemach stösst,
werde bald ganz verschüttet sein, und kein Ausgang mehr übrig
bleiben. Dazu drohen die Gebäude den Einsturz, und im Freien
droht der immer dichtere Steinfall. Man berathschlagt, und eilt
mit Polstern über dem Kopfe ans Ufer. Aber Wind und hohe
See sind noch dieselben, man kann nicht fort. Es ist Tageszeit,
nur hier noch finstre Nacht, von schauerlichen Blitzen durchzuckt.
Jetzt verbreitet sich Schwefeldunst, Flammen brechen ganz in der
Nähe aus der Erde. In wilder Flucht stürzen alle fort. Auch
Plinius, von zwei Sklaven unterstützt, erhebt sich, fällt wieder nieder,
und — ist todt. Erst am dritten Tage fand man seinen Leichnam
einem Schlafenden ähnlicher als einem Todten. Der Neffe
meint, er sei erstickt; wahrscheinlicher ist ein Schlagfluss. Schon
kurz zuvor scheint er sich unwohl gefühlt zu haben, zweimal verlangte
er kalt zu trinken, und dass der Moment der höchsten Gefahr
ihn liegend überraschte, dass er sich nur mit Hülfe zweier
B u c h VI. Kap. 2. §. 15. 123
Sklaven aufrichten konnte, zeigt deutlich, in welchem Zustande er
sich bereits befand i).
§. 15.
S e i n e Naturgeschichte und deren vorzüglichste
A u s g a b e n .
Uebrig geblieben ist uns von all seinen Werken nur die Naturgeschichte,
diese aber vollständig. Sogar die Schlussworte, die
man vermisste, entdeckte man vor kurzem in einem bis dahin unbenutzten
bamberger Codex. Der Hauptinhalt der Bücher ist folgender
: Buch II, Kosmologie und Meteorologie; Buch HI bis VI,
Geographie; Buch VH, Anthropologie; Buch VHI bis XI, Zoologie;
Buch XH bis XXVH, Botanik, angewandt auf Feld- und
Gartenbau so wie auf Arzneikunst; XXVHI bis XXXH, nochmals
Zoologie in Anwendung auf Arzneikunst, so wie bei Gelegenheit
der Wasserthiere einiges von den Heilkräften verschiedener
Wässer; Buch XXXHI bis XXXVII Mineralogie, vornehmlich
in Bezug auf Arzneikunst Malerei und Plastik; Buch I, seiner
Entstehung nach das letzte, doch von Plinius selbst, wie wir
nicht zweifeln dürfen, den übrigen vorangestellt, enthält ausser d^
Vorrede nur noch die Inhaltsanzeige der sechs und dreissig übrigen
Bücher und ihrer Sectionen, nebst den Namensverzeichnissen
der zu jedem Buch benutzten lateinischen und auswärtigen Schriftsteller.
Mit Unrecht hat man dies erste oder letzte Buch als untergeschoben
verdächtigt. Wahr ist, dass Plinius selbst in seiner
Vorrede nur von sechs und dreissig Büchern spricht, allein schon
sein Neffe giebt, wie wir sahen, sieben und dreissig an, und zwei
Stellen, in denen der Oheim auf ein vorhergegangenes Buch sei-
1) Eine ins Fabelhafte gehende Beschreibung des grossen Phänomens
giebt Dion Kassios LVI. cap. 21-23. Er lässt die Asche strichweise bis
nach Afrika Syrien und Aegypten getrieben werden. Lesenswerther ist die
Schilderung des Erdbebens, der Luftverfinsterung und selbst des Aschenfalls
an der durch den weiten Meerbusen vom Vesuv getrennten Spitze von Misenum,
die der jünger e Pl inius in einem zweiten Schreiben an Tacitus
{VI, epist. 20) als Augenzeuge giebt.
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