356 Buch Vili. Kap. 3, §. 53. B u c h Vili. Kap. 3. §- 53. 357
damit nicht mehr verbunden gewesen zu sein; — und c. die des
L u l l u s , gleichfalls aus vier Büchern bestehend, wie die zweite
Redaction, und ihr im Ganzen entsprechend, doch so, dass die
Abweichungen der ersten Redaction wenigstens zum Theil wieder
eingeschaltet sind. Nach dieser letzten gemischten Redaction besitzen
wir das Werk in des Lullus Uebersetzung, indem er nach
zwei Handschriften der beiderlei frühern Redactionen arbeitete,
und die vermeinten Lücken der Einen aus der andern ergänzte,
nicht ohne jedesmalige Angabe seiner Quelle. Wie leicht sich
demnach die Bestandtheile der beiden ältern in der dritten und
jüngsten Redaction unterscheiden lassen, ist klar, und warum das
nicht von jeher geschehen, mir unbegreiflich.
So liefert uns Lullus gleich voran die beiden sehr verschiedenen
Vorreden seiner beiden Handschriften nach einander. In der
ersten (welche der zweiten Redaction angehört) erzählt der angebliche
Perserkönig Kyranos (Lullus schreibt Kiranus), wie er seine
Kyraniden oder Koiraniden, die Königinnen seiner Bücher, das
grosse Geschenk der Agarener (ich lese Angarer, der Engel), welches
Hermes empfangen, auf eisernen Säulen in syrischer Sprache
geschrieben, entdeckt habe. Es sind, mit Ausnahme der Zuthaten
aus der harpokrationischen Redaction zur ersten, die vier Bücher
der lullischen Redaction. — In der zweiten Vorrede, die zu
der ersten Redaction gehört, erzählt dagegen der vermuthlich eben
so fabelhafte H a rpokr a t i o n Alexandrinos (den man zuweilen
ohne allen Grund und gegen alle Wahrscheinlichkeit für den gleichnamigen
nüchternen Lexikographen gehalten hat), seiner eigenen
Tochter von seinen wunderlichen Reisen nach Babylon u. s. w.,
und von seiner Entdeckung der eisernen Säulen mit den syrischen
Inschriften, die ihm ein alter Sklav in den äolischen Dialekt gedolmetscht
habe. Er will aber nur zwei Bücher gefunden haben:
1. das uns unbekannte Buch der Alterthümer, und 2. das
t h e r a p e u t i s c h e Buch aus Syrien (in einem Codex apud
Nanios pag, 450: ßtßlog anb ovqiaQ deQaTTsvxty.'^). Dies zweite
Buch soll nach dem Namen des Gottes Kyranos (von Hermes
ist gar nicht die Rede, doch wird sich bald zeigen, dass hier
Hermes Trismegistos unter dem Namen Kyranos zu verstehen ist)
die Kyrani s benannt sein, und klar wie der Euphrat aus dem
vorgenannten kleinen Buch syrischer Alterthümer herabfliessen.
Beide Bücher standen also in genauestem Zusammenhange, und
einmal (pag. 30 der lullischen Uebersetzung) verweist Harpokration
sogar in seiner Kyranis auf das Buch der Alterthümer (ut scriptum
est in priore libro, qui vocatur Archaicus). Dabei ist zu bemerken,
dass König Kyranos in der zweiten Redaction dieses Buch
ganz ignorirt, obgleich er es wenigstens einmal, wie sich zeigen
wird, stark benjitzt hat. Umgekehrt weiss Harpokration in der
ersten Redaction nichts von mehr als Einer Kyranis. Auch ist
die erste Kyranis, wenn wir die Zusätze der kyranischen Redaction
ausscheiden, in einem ganz andern Ton gefasst als die
drei übrigen, Sie ist ein durchaus mystisches Z a u b er b u ch, beschränkt
sich streng auf vier und zwanzig Artikel nach der Zahl
der Buchstaben, und vereinigt unter jedem Buchstaben Eine
Pflanze Einen Vogel Einen Fisch und Einen Stein, meist von
analoger Bildung der Namen, in deren Verbindung tiefe Mysterien
liegen sollen; theologisch-mystische Apostrophen an Götter und
Menschen verflechten sich in das Ganze. Die drei folgenden Bücher
dagegen sind nur eine alphabetisch geordnete mit Zauberei
durchwürzte Arzneimittellehre aus dem Thierreich, indem
das zweite Buch die Land-, das dritte die Luft-, das vierte die
Wasserthiere enthält, ausserdem ohne Rücksicht auf Zahl und
Folge, und ohne allen poetischen Schwung. Gleich nüchtern sind
auch die Zusätze der kyranischen Redaction zum ersten Buch,
wogegen jene Apostrophen von ihr ausgelassen sind. Alles das
verräth das spätere Alter dieser Redaction.
Nur Eins scheint dem zu widersprechen, verschwindet aber
bei näherer Betrachtung. Des Olympiodoros Worte, soweit sie
Reinesius mittheilt, lauten nämlich nach meiner Uebersetzung so:
„In der Kyrani s nannte Hermes, hauptsächlich um das Wesen
des Helios und der Selene anzudeuten, den Hahn; denn dies
1) Bekanntlich bedeutet bei den Alchymisten Helios, Sol, zugleich das
G o l d , Selene, Luna, das Silber,
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