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368 Buch Vm. Kap. 3. §. 54.
worrene und regellose Treiben beendigte. Zuerst stellte er die
überweltlichen und die der Welt inwohnenden Kräfte fest, sodann
schuf er den Himmel und die Erde, die beweglichen und die unbeweglichen
Sterne, weder Zeit noch fremden Stoffes bedürfend;
und nachdem er jedem seinen gehörigen Ort, wie wir früher feststellten,
angewiesen hatte, bewegte es sich in der vorgezeichneten
Bahn. So begannen denn der Himmel und die ihm gegenläufigen
Planeten den unaufhörlichen Umschwung zu schwingen. Die Erde,
mit Wasser gemischt, schied sich nicht völlig davon; sie ward
tief und hohl; wo sich aber nichts oder nur wenig über ihr befand,
erhoben sich die Berge. Nachdem aber das Wasser auf der
Erde den gehörigen Platz eingenommen, und sie selbst, die durchfeuchtete,
durch die auffallenden und austrocknenden Sonnenstrahlen
allmälig die gehörige Gestalt bekommen hatte: da wuchsen
zuerst Bäume und Kräuter und gewisse' blasenartige Häute,
welche den Tag über von der Sonne erwärmt, bei Nacht vom
Monde und den Sternen begünstigt, mit der Zeit aufsprangen und
die Thiere gebaren. Welche unter ihnen dann hinlängliche Kochung
empfangen hatten, die wurden männlich und wärmerer Natur
; und welche im Gegentheil wegen Mangel an Wärme zurückgeblieben
waren, die nahmen das weibliche Geschlecht an. Man
darf sich auch nicht wundern, dass Erde mit Wasser vermischt
im Anfang Pflanzen und Thiere im Sinn des Demiurgos hervorbrachte;
denn offenbar enthält das Wasser Dunst {mvf^ia), und
darin seelenhafte Wärme. In den Höhlen der Erde findet man
auch die so entstandenen Thiere, und noch jetzt zeigen alle aus
Fäulniss entstehenden Thiere, solches Ursprungs ungeachtet, eine
bewundernswürdige Bildung. Darin wird aber hoffentlich niemand
ein Bedenken finden, dass sie sich jetzt nicht mehr auf solche Art
zu bilden vermögen; denn weder ist die Erde noch jetzt eben so
mit Wasser gemischt, noch bewegen sich die Sterne in denselben
Verhältnissen. Das bis etwa auf den heutigen Tag fortdauernde
Werden, was sich von selbst versteht, übergehe ich, ausser dass,
gleichsam nach jener (Urzeugung) sich richtend, die Thiere von
einiger Grösse keineswegs so entstehen, wie sie sind, und dasg
Buch VHI. Kap. 3. §. 54 369
sich die Kräuter und Bäume und Pflanzen und Früchte und die
fast erstorbenen und vor Kälte erstarrten Thiere (allmälig) mit
Wärme und Kraft erfüllen. Denn den Organismen ward, wie gesagt,
keineswegs eine gleiche Mischung zu Theil, sondern die,
welche das meiste Erdige empfingen, wurden Pflanzen und Bäume
mit abwärts der Erde zugewandtem Kopf; und dadurch unterscheiden
sie sich von den blutärmeren und fusslosen Thieren, dass
diese den Kopf beweglich über der Erde tragen. Welche aber
das meiste Wässrige empfingen, denen ward ihr Loos dem Wasser
gemäss zu Theil, ungefähr gleich wie jenen. Welche nun
mehr Antheil haben am Erdigen und Warmen, die sind Landbewohner,
welche mehr am Luftigen und Warmen, die sind gefiedert,
einige über den ganzen Körper, andere bis an den Kopf,
jedes seiner Mischung gemäss; und je mehr Wärme der Mensch
besitzt, desto reiner und empfänglicher für die Wärme scheint der
Stoff* zu sein, woraus sein Leib besteht. Aus dem Grunde hat er
auch allein unter allen Thieren eine aufrechte Gestalt, und haftet
wenig am Boden. Auch etwas Göttlicheres ergiesst sich in ihn,
vermöge dessen er Sinn und Verstand und Einsicht besitzt, und
die Diüge erforscht. Das weibliche und männliche Geschlecht aber
sind bei den Thieren, welche Trieb und Bewegung haben, getrennt,
so dass sie sich, wenn auch in weiter Entfernung, mit
einander vereinigen müssen. Die Pflanzen und Bäume sind dessen
unfähig. Deshalb ward ihnen vor jenen viel Frucht zu tragen
verliehen; nicht so, als vereinigten sie in sich beide Geschlechter,
sondern nur jene, welche wenig gebären sollten, trennte die Natur.
Einige derselben werden unwillkürlich durch die Jahreszeiten,
andere durch die eingeborene Wärme und Nahrung zum Zeugen
veranlasst. Auch bedürfen einige zum Zeugen nicht geringer
Zeit und Umstände, bei andern wirkt der Trieb fast von selbst.
Denn keineswegs setzte der Demiurgos, wie man sagt, die Seele
des Ganzen in die Mitte, und dehnte sie aus bis an die Enden.
Diese Anordnung beobachtete er nicht der ßeihe nach bei allen
Organismen, auch nicht bei den ersten und vornehmsten, wie man
aus dem Stoff*, woraus sie bestehen, folgern möchte: sondern der
Meyer, Gesch. d. Botanik. II. 24
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