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120 B u c h VL Kap. 2, §. 14.
beiten, im Winter aber um sieben, spätestens um acht, mitunter
um sechs Uhr Schlafen konnte er jederzeit, zuweilen beim
Studiren entschlummerte und erwachte er wieder. Vor Tagesanbruch
ging er zu Vespasianus, dem Kaiser, — denn auch dieser
benutzte die Nächte, — von da an das ihm aufgetragene Geschäft.
Zu Haus gekommen, widmete er die noch übrige Zeit den
Studien, Nach dem Frühstück, das er während des Tages mässig
und leicht nach Art der Alten genoss, legte er sich im Sommer,
wenn er Müsse fand, in die Sonne, Hess sich ein Buch vorlesen,
machte Anmerkungen und Auszüge; denn ohne zu excerpiren las
er nichts; auch pflegte er zu sagen, kein Buch sei so schlecht,
dass es nicht etwas Nützliches enthalte. Nach Sonnenuntergang
badete er gewöhnlich kalt, darauf genoss er etwas und schlief ein
wenig. Bald, als wäre ein neuer Tag angebrochen, studirte er
wieder bis zur Hauptmalzeit. Auch dabei ward ein Buch vorgelesen,
Bemerkungen gemacht, doch ohne Aufenthalt. Ich erinnere
mich, dass einer seiner Freunde den Vorleser, der falsch betont
hatte, unterbrach und wiederholen liess. „Du hattest ihn doch
verstanden?" fragte mein Oheim; und als jener nickte, fuhr er
fort: „warum liessest du ihn denn wiederholen ? über zehn Zeilen
haben wir durch deine Unterbrechung verloren." So geizte er mit
der Zeit. Von Tisch stand er auf im Sommer noch bei Tage, im
Winter so wie es dunkel geworden, als ob ein Gesetz ihn zwänge.
So lebte er in Geschäften und beim Geräusch der Stadt; auf dem
Lande blieb nur die Zeit des Badens vom Studiren ausgenommen,
und wenn ich das Baden sage, so verstehe ich darunter das eigentliche
Bad; denn während er sich reiben und abtrocknen liess,
hörte oder dictirte er etwas. Auf Reisen, gleichsam erlöst von
andern Sorgen, that er nichts als das; neben sich einen Schnellschreiber
mit Buch und Schreibtafel, dessen Hände im Winter mit
Handschuhen versehen wurden, auf dass selbst des Himmels
1) Das ist nach unserer Stundeneintheilung um ein, spätestens zwei
U h r Morgens, mitunter um Mitternacht. Vergl. Ideler ^ Handbuch
der mathematischen und technischen Chronologie L (Berlin 1825^ 3. 84,
B u c h VL Kap. 2. §. 14. 121
Strenge den Studien keine Zeit entzöge. Aus dem Grunde liess
er sich auch zu Eom in einer Senfte tragen. Ich weiss noch wie
er mich einmal beim Spazirengehen traf und sagte: „Die Stunden
brauchtest Du nicht zu verlieren." Denn als verloren betrachtete
er jede nicht den Studien gewidmete Zeit. Mit solcher
Anstrengung brachte er all die Bände zu Stande und binterliess
mir noch hundert und sechzig Hefte ausgewählter Stellen, die Blatter
von beiden Seiten mit sehr kleiner Schrift beschrieben, wodurch
sich die Zahl vervielfältigt. Er selbst erzählte, als er Spamen verwaltete
, hätte er diese Hefte an Largius Licinius um vierhundert
tausend Sestertien i) verkaufen können; und damals waren ihrer
noch nicht so viele. Sollte man nicht glauben, wenn man bedenkt,
wie viel er gelesen, wie viel geschrieben, er wäre weder in
iro-end einem Geschäft noch in des Fürsten Freundschaft gewesen?
Und wiederum, wenn du hörst, wie viel Zeit er dem Studium gewidmet,
er hätte weder genug geschrieben noch gelesen? Denn
was alles störten nicht jene Beschäftigungen? Was konnte diese
Aemsigkeit nicht beschaffen? u. s. w."
In einem noch längeren Schreiben 2), welches ich gleichfalls
wörtlich mitzutheilen mich ungerli'enthalte, berichtet derselbe Neffe
dem Geschichtschreiber Tacitus auf sein Verlangen über des
Oheims Tod. So eben war Titus im Jahre 79 seinem Vater
Vespasianus in der Eegierung gefolgt; der ältere Plinius commandirte
damals die römische Flotte im tyrrhenischen Meer, die bei
Misenum, hinter der noch jetzt sogenannten Punta di Miseno
stationirte^): als am 22. August gegen Mittag jener furchtbare
von Erdbeben und Aschenregen begleitete Ausbruch des Vesuvs
1) In früherer Zeit würde das 30,000 Gulden Conventionsgeld betragen
haben; zu Nero's Zeit, in Folge der Entwerthung des Geldes, ein Achtel
weniger, also 17,500 Gulden Convent, oder ungefähr 13,3^0 Thaler Courant.
2) PI in. min or is VI, epist. 16.
3) Man sehe Mannert, Geographie der Griechen und Römer I X , Abtheil. /,
Seite 721 f .