gen schmutzigen Gassen. Unser Weg führte uns bei
einem Hause von gutem Aussehen vorbei, welches das
Eigentum einer sehr zahlreichen Lesegesellschaft ist;
und man wollte uns zu verstehen geben, daß hier die bedenkliche
Lage der öffentlichen Angelegenheiten des
Hochstifts zuerst ventiliert worden sei. Wie es sich aber
auch damit verhalten mag, so ist wohl nicht zu zweifeln,
daß Privatleidenschaften einzelner Menschen hier so gut
wie bei einer jeden Revolution im Spiele gewesen sind.
Das wenige, was wir aus der alten Geschichte wissen,
läßt uns die kleinen Triebfedern so mancher großen Veränderung
in Athen und in Rom noch jetzt erkennen und
lehrt uns, zwischen diesen und der allgemeinen Neigung
sowohl als dem allgemeinen Bedürfnisse zu einer
Revolution, ohne welche sie nicht wirken können, genau
zu unterscheiden. Die äußerst kritische Lage der Lütticher
wäre in diesem Augenblicke noch ungleich bedenklicher,
wenn ein solches Bedürfnis und ein lebhaftes Gefühl
von unerträglichen Lasten sie nicht wirklich zu
einem gemeinschaftlichen Zwecke verbände, wenn nur
Parteigeist und Privathaß das Volk ohne hinreichende
Ursache in der Bewegung zu erhalten suchten, die es
sich einmal gegeben hat. Das Schicksal von Lüttich
hängt zu fest an dem Schicksal Deutschlands, um sich
davon absondern zu lassen, und das Interesse der Nachbarn
wird es nicht leiden, daß die Lütticher ihre Sache
allein ausfechten dürfen. Unser bisheriger Standpunkt
war überhaupt für die Politik des Tages viel zu hoch; wir
übersahen dort zu viel, unser Horizont hatte sich zu
sehr erweitert, und die kleineren, näheren Gegenstände
entzogen sich unseren Blicken. Hier unten ist von allem,
was uns dort so klar, so hellglänzend vor Augen
schwebte, von den Rechten der Menschheit, der Entwicklung
der Geisteskräfte, der sittlichen Vollendung,
vor lauter Gewühl der Menschen und ihrer kleinen, eigennützigen
Betriebsamkeit wenig oder gar nichts mehr
zu sehen. »Wie? Erinnert nicht der Anblick fremder
Kriegsvölker« - - woran? Doch nicht an den Schutz,
den die Großmut des Mächtigen dem Schwachen angedeihen
läßt? An die seltene Freiheitsliebe eines unumschränkten
Herrschers, der die gerechte Sache des Volks
gegen die Anmaßungen des Despotismus verteidigt? An
den Patriotismus eines Reichsstands, womit er der Verzweiflung
wehrt, daß sie, durch ein strenges Verdammungsurteil
gereizt, sich vom deutschen Staatssystem
nicht losreiße, sich der benachbarten Empörung nicht in
die Arme werfe? - Oder erinnert uns etwa nichts an die
Klugheitsregeln einer in die Zukunft schauenden und
die Zukunft selbst bereitenden Politik? An Verkettungen
von Begebenheiten in allen Enden von Europa, die
es bald erheischen können, dem nahen Brabant zu Hilfe
zu eilen, seine Unabhängigkeit zu befestigen, sie durch
die Vereinigung mit Lüttich zu stärken und dagegen
Handelsvorteile und Arrondissements zu ernten? Fast
möchte man glauben, diese letzteren Antriebe lägen näher,
wären dem gebieterischen Bedürfnisse des Augenblicks
angemessener und, wenigstens in der Sprache des
Staatsmannes, dem Scharfblicke der Kabinette rühmlicher
als die Schwärmerei für demokratische Freiheit.
Wie aber das individuelle Interesse eines Hofes sich
vollkommen mit der Begünstigung der Volkspartei reimen
läßt, so zeichnet die Selbsterhaltung ändern einen
entgegengesetzten Gang der Affären vor. Mit jedem Eingriff
in die Rechte eines geistlichen Fürsten, mit jedem
Vorteil, den sich der dritte Stand erringt, mit jedem
Schritte, wodurch er sich dem Kapitel und dem Adel an
die Seite zu stellen und neben ihnen geltend zu machen
sucht, wird die Verfassung geistlicher Wahlstaaten in
ihren Grundfesten erschüttert und mit einem nahen
Umsturz bedroht. Gesetzt also, das Volk von Lüttich