verloren, sondern auch die Erziehung des künftigen Besitzers
wird so sehr vernachlässigt oder verschroben,
daß, wenn Temperament und Beispiel ihn in der Folge
zum Prasser machen, sein Mißbrauch der ererbten
Schätze genau so unmoralisch bleibt, wie es des Vaters
Nichtgebrauch derselben war.
Ich mache diese Betrachtung, indem ich erwäge, welche
unzähligen Verbindungen von nie vorherzusehenden
Ursachen zur Entstehung eines Volkscharakters mit-
wirken können, und wie sehr man unrecht hat, den
späten Enkeln eine Schuld beizumessen oder auch ein
Lob zu erteilen, wovon der Grund Vorjahrhunderten in
einer notwendigen Verkettung der Umstände gelegt
worden ist. Die Widerwärtigkeiten, womit die Holländer
in früheren Zeiten zu kämpfen hatten, stärkten in ihnen
den hartnäckigen Geist der Unabhängigkeit. Ihre Freiheitsliebe
führte sie zu großen Aufopferungen; ihre Enthaltsamkeit
ward ihnen zur ändern Natur. Indes alle Nationen
Europas bereits einer Üppigkeit frönten, die
gleich einer ansteckenden Seuche weder Geschlecht
noch Alter, noch Stand verschonte, blieben sie allein unangefochten
von ihrem verführerischen Reiz, in rauher,
unzierlicher republikanischer Einfalt. Aber ihr Mut, der
ihnen das reiche Batavia schenkte, ihr Handelsfleiß, dem
alles Gold von Asien und Europa in der Hand zurückblieb,
ihre Sparsamkeit selbst, die ihnen wehrte, die gesammelten
Schätze wieder zu zerstreuen, bereiteten die
jetzige Anwendung derselben vor. Jetzt befinden sich
die Holländer in der Lage aller spät reifenden Völker; indem
sie aus jenem vegetierenden Leben erwachen, sehen
sie ihre Vorgänger in der Laufbahn des Genusses als
Muster an, denen sie mit verdoppelten Schritten oder
vielmehr mit einem Sprunge nacheilen wollen, und
diese unglückliche Nachahmung stört sie in dem ruhigen
Gange der ihnen angeeigneten Entwicklung.
Dem physischen und klimatischen Naturell der Holländer,
wie ihrem besonnenen Gemütscharakter, ziemt
die äußerste Simplizität; ihre Kultur durfte sich nie von
dieser Grundlage entfernen; sie mußte lediglich darauf
gerichtet sein, dem Einfachen Eleganz und Größe beizugesellen.
Der bunte, kleinliche Luxus der Mode, der
glatte Firnis herzloser Sitten, die wortreiche Leere der
Ideen des Tages stehen ihnen wie erborgte Kleider.
Witz, Laune und Geist können unsere Aufmerksamkeit
von diesen Mißverhältnissen des Welttons abziehen; ihr
munteres Spiel kann wenigstens auf einige Augenblicke
ergötzen, wenn schon nicht entschädigen für den Mangel
an Schönheit und Harmonie; französische Leichtigkeit
endlich scheint zu diesem Flitterstaate zu passen,
wie Schmetterlingsflügel zum Schmelz der brennendsten
Farbenkontraste. Bei anderen Nationen können
zwar diese flüchtigen Blüten des französischen Charakters
als einzelne Erscheinungen hervorsprossen; sie gehören
aber nie zu dem spezifischen Gepräge, womit die
Natur und das Schicksal sie voneinander ausgezeichnet
haben. Allen deutschen und nordischen Völkern - fast
möchte ich auch die Engländer mit einschließen —
macht daher ihre Organisation und ihre ganze Geistesanlage
einen edleren Ernst und eine überlegte Einheit
des Betragens zur natürlichen Pflicht; jede Abweichung
von dieser Norm bestraft sich selbst durch die davon unzertrennliche
Lächerlichkeit, die niemandem so komisch
auffällt wie dem leichtsinnigen Volke, dessen Tracht
und Manieren man ungeschickt nachahmen will. Selten
wird ein Franzose sich die Zeit nehmen, den eigentümlichen
Wert des deutschen, holländischen und englischen
Nationalcharakters auszuforschen und anzuerkennen.
Der nachgeahmte Luxus, der nicht mit originellem
Kunstsinn bezeichnet ist, kann ebenso wenig einen angenehmen
Eindruck machen, wie jene Papageien- und