Geisteskultur befinden, das beweist der gegenwärtige
Zustand der Erziehungsanstalten, der Universitäten, der
belletristischen und ernsten Literatur, der politischen
und statistischen Verfassungen, der physischen und hyperphysischen
Heilkunde, ja sogar der räsonierten
Schwelgerei und raffinierten Sinnlichkeit, worin alles auf
einem enzyklopädischen Inbegriff und Zusammenhang
aller möglichen Zweige der Erkenntnis beruhet. Dieser
nunmehr in allen Fächern aufgesuchten und mit so vielem
Glück verfolgten Verwebung und Verbindung der
verschiedenartigsten Kenntnisse sind wir es schuldig,
daß der Gang unserer Erziehung sich beflügelt und daß
unsere sechzehnjährigen Jünglinge ein vollständigeres,
zusammenhängenderes System von nützlichen, praktischen
Begriffen innehaben, als man sich zu Lockes Zeiten
mit dreißig Jahren erwerben konnte. Die Spreu ist
besser von reinem Korn geschieden, und wir genießen,
wengistens in gewisser Rücksicht, die Frucht des
Schweißes von Jahrtausenden. Unsere Frauenzimmer
selbst finden es leicht und anmutig, alle Gefilde des Wissens
zu durchstreifen, sie wie Gärten geschmückt zu sehen
und ihre Blumen in einen Strauß zusammenzubinden,
den man im bunten gesellschaftlichen Kreise nicht
ohne Selbstgefallen jedem zur Erquickung darreichen
kann. Wir wollen uns über diese oberflächliche Weisheit
nicht entrüsten; denn sie ist reeller, als man denkt und
als es mürrische oder pedantische Sittenrichter zugeben
mögen. Alles ist gewonnen, wenn es zur Gewohnheit
wird, die Geisteskräfte zu beschäftigen und die Vernunft,
die man dem größten Teile des Menschengeschlechts
so lange und so gern abgeleugnet oder auch
wohl unmenschlich entrissen hat, in ihrer Entwicklung
überall zu begünstigen. Nur der Geist, welcher selbst
denkt und sein Verhältnis zu dem Mannigfaltigen um
sich her erforscht, nur der erreicht seine Bestimmung.
Wie wir anfingen, so endigen wir dann: durch die Wirbel
aller möglichen Zusammensetzungen hindurch, kehren
wir, reich in uns selbst und frei, zu der ursprünglichen
Einfalt zurück.
Du weißt, ich kenne auch die Rückseite des schönen
Gepräges, welches unsere Einbildungskraft den Weltbegebenheiten
aufdrückt; allein jede Ansicht hat nur einen,
ihr eigenen Gesichtspunkt, und wer ihn verrückt, der
hascht nach einem Schatten, über welchen das Wesentliche
selbst ihm entgeht. Wenn wir uns am heitersten
Frühlingsmorgen des Lichtes freuen, dessen milder
Strom den Himmel und die Erde verjüngt und Lebenswonne
in der ganzen Schöpfung anzündet: was kümmert
uns der Sonnenstich oder die Donnerwolke, die
möglichen Folgen der Einwirkung jenes wohltätigen
Elements in einen unvollkommenen, ungleichartigen
Planeten?