kein Aufsehen erregen, aber das Glück genießen, zufriedene
und wohlhabende Menschen um sich her zu sehen.
»Das Gute, was ich hier getan habe«, sagt die Regentin
im »Egmont«, »sieht gerade in der Ferne wie nichts aus,
eben weil es gut ist.«
Die Menschen in dieser Gegend sprechen eine weit
plattere Sprache als die oberhalb Köln; mir schien sie sogar
platter zu werden, je weiter wir uns vom Rhein hier-
herwärts entfernten. Alle Mannspersonen, die uns be-
gegneten, waren wohlgewachsen und von einer bestimmteren,
ausdrucksvolleren Gesichtsbildung. Die
Weiber hatten nicht die eckigen, hervorstehenden Bak-
kenknochen, die in den oberen Rheingegenden und weiter
hinauf im Reiche so charakteristisch sind. Manche,
die wir sahen, hätten einen flämischen Maler zu Nymphen
und Göttinnen sitzen können. Arbeitsamkeit erhält
diese Menschen nüchtern und macht sie verhältnismäßig
gegen die Oberländer wohlhabend. Das feuchte Klima,
die stete Anstrengung beim Ackerbau, vielleicht auch
das ursprüngliche Temperament des blonden, niederdeutschen
Blutes macht sie phlegmatisch, gleichgültig,
ungesellig, störrig; und die Religion, wenigstens so, wie
man sie ihnen nach hierarchischen Grundsätzen beibringt,
trägt eben nicht viel dazu bei, sie geistreich und
aufgeweckt zu machen. Ihr Wohlstand gibt ihnen Unabhängigkeit,
und dieses glückliche Verhältnis gegen den
Nebenmenschen trägt vielleicht auch das Seinige dazu
bei, die Gleichgültigkeit gegen den Fremden bis zur rohen,
unwirtbaren Ungezogenheit zu treiben. Selbst bei
denen, die noch Höflichkeit zu bezeigen geruhten, hatte
sie einen so kecken Anstrich, daß ich mich ihrer im Namen
der Menschheit freute, sowenig sie für mich, als
einzelnen betrachtet, Einladendes und Schmeichelhaftes
haben konnte. Die Einförmigkeit der Beschäftigungen
des Ackerbaues und die strenge Ordnung, in welcher sie
aufeinanderfolgen, gibt demjenigen, der sich bloß davon
nährt, eine Einseitigkeit, welche in vielen Fällen bis zum
hartnäckigsten Eigensinne geht, zumal wenn es auf die
Einführung einer verbesserten Kultur ankommt; auch
trägt sie vieles dazu bei, eine habituelle Langsamkeit
hervorzubringen, welche man jedoch sorgfältig von
Faulheit und Müßiggang unterscheiden muß. Der Müßiggänger,
wenn er Munterkeit und einigen Ideenvorrat
besitzt, kann ungleich unterhaltender sein als dieser
kalte Alltags- und Gewohnheitsmensch; allein seine Abhängigkeit
macht ihn verächtlich und untergräbt seine
Sittlichkeit. Der langsame, gleichgültige, in seinem
Kreise sich fortwälzende Dummkopf, wenn er sich und
die Seinigen redlich ernährt, ist dem Staate wichtiger, als
Mensch glücklicher und moralisch besser, ob er gleich
auf der Leiter der Erdenwesen, nach ihren Fähigkeiten
geordnet, tiefer steht. In den Städten der hiesigen Gegend,
wo sich auf das angeborne Phlegma und den damit
verbundenen Stumpfsinn die Faulheit, die Unsittlichkeit
und der Aberglaube pfropfen, findet man allerdings die
menschliche Natur in ihrer empörendsten Entartung.
Aachen liegt sehr anmutig. Die Hügel rundumher
sind schön geformt und reich an Waldung, Äckern und
Gebäuden; daher gewähren sie unter jedem Gesichtspunkt
einen verschiedenen, das Auge erquickenden Effekt.
Um die Stadtmauern ziehen sich schöne Gänge von
hohen schattenreichen Bäumen. Gewisse Teile der Stadt
sind ziemlich gut gebaut; ihr ganzer Umfang ist sehr beträchtlich,
denn ehedem faßte sie mehr als hunderttausend
Einwohner, deren jetzt aber nur dreißigtausend
vorhanden sind. »Was ist die Ursache dieser auffallenden
Entvölkerung?« wirst Du fragen; denn ich fragte
ebenso, und ich glaube, jedem, der davon zum ersten
Mal hört, muß dieselbe Frage auf der Zunge schweben.
Die Antwort, die ich darauf erhielt, ist einleuchtend, ob