Französisch und war so häßlich, daß sogar unser alter
Erbsenkönig, als sie in den Wagen stieg, ein »Ah Dieu!
qu’elle est laide!« zwischen den Zähnen murmelte, ohne
an seine eignen Vorzüge zu denken. Um uns das Rätsel
zu lösen, wie man zu einer unfranzösischen Frau kommen
könne, eröffnete uns der Kupferdrucker, daß sie
zwölftausend Gulden erben würde, und daß er im Begriff
stehe, diese Erbschaft zu heben. »Mit dem Gelde«,
fuhr er fort, »bin ich ein reicher Mann, kaufe mir ein
Pferd und einen brancard dazu, führe mein Weib nach
Paris, zeige ihr alle Herrlichkeit der Welt und etabliere
mich dann in der Provinz.« Nun fing er an, uns alle Sehenswürdigkeiten
der unvergleichlichen, einzigen
Hauptstadt zu beschreiben. Zuerst nannte er die Tuile-
rien, weil der König jetzt darin wohnt; sodann die Sternwarte.
»Hier«, sagte er, »steigt man dreihundert Stufen
tief hinab in einen Keller und guckt dann durch drei
Meilen lange Röhre am hellen Mittage nach dem Mond
und den Sternen. Aber lassen Sie sich nichts weismachen,
wenn Sie hinkommen; es sind keine wahren Gestirne,
die man dort zu sehen bekommt, sie sind von
Pappe ausgeschnitten und werden vor die Sehröhre geschoben.
« Ebenso klare Begriffe hatte er vom königlichen
Naturalienkabinett, »wo man in einem Zimmer alle
Tiere und Vögel, im ändern alle Pflanzen der Erde beisammen
sieht«. Besonders aber pries er die Wunder des
Invalidenhauses und das Merkwürdigste von allem, nämlich
die Küche. »Hier steht eine marmite von ungeheurer
Größe und hundert Bratspieße, et sur chacune vingt
gigots de mouton.« Hätten wir einen Engländer bei uns
gehabt, er würde den Zug charakteristisch gefunden haben,
da man in England immer über das Hungerleiden
der Franzosen spottet. - Während der Mann von Paris
plauderte, hatte sein ganzes Angesicht sich zur Miene
des höchsten Entzückens verklärt, und er beschloß mit
der Beteuerung, daß er die Stadt vor seinem Ende Wiedersehen
und sich seiner guten Tage dort erinnern
müsse. Dann pries er uns seine glückliche Ehe; und als
einer bemerkte, daß der Ehesegen ausgeblieben sei,
wäre er mit der ernsthaften Versicherung, dies sei auch
der einzige Streitpunkt zwischen ihm und seiner Frau,
gut durchgekommen, wenn sie nicht zur Unzeit von vier
Jungen, so groß wie er selbst, aus ihrer ersten Ehe gesprochen
hätte. Jetzt mußte er sich aus der Sache ziehen,
so gut er konnte: er tat es indes mit der besten Art von
der Welt und mit der feinsten französischen Galanterie
gegen seine wirklich ausgezeichnet häßliche Hälfte.
Endlich lenkte er das Gespräch auf seine Armut, spottete
über den Inhalt seines Koffers und wiederholte aus
»Annette und Lubin«: »Tu n’as rien, je n’ai rien non
plus; tiens, nous mettrons ces deux riens là ensemble et
nous en ferons quelque chose«, und da ihm dies die Sache
nahe legte, müßte er weniger leichtes Blut gehabt
haben, als ein Franzose wirklich hat, um nicht von diesem
Dialog den Übergang zum Singen zu machen und
sehr zärtlich zu quäken. Im ersten Wirtshause, wo wir
abstiegen, produzierte er uns aus einem Päckchen etwas
von seiner Arbeit. Es waren einige Kupferabdrücke, die
er zu einem Lütticher Nachdruck von Levaillants »Reisen
« gemacht hatte. Bei dieser Gelegenheit kam auch der
Nachdruck der Enzyklopädie in Erwähnung, die er
kaum nennen hörte, als er schon ausrief: »Ah, l’excellent
ouvrage, que l’Encyclopédie! Aber schade!«, setzte er
hinzu, »daß ich es nicht bei mir habe, das schöne Blatt,
welches ich auch noch in Lüttich druckte, le Capsignon
parmi ses disciples!« Hätte ich den »Anacharsis« nicht
kürzlich in Händen gehabt, so wäre es mir nicht eingefallen,
daß dies die Aussicht vom Minerventempel auf
dem Vorgebirge Sunium sein sollte, wo Plato mit seinen
Schülern steht.