berührten fast mit der Stirne die Erde. Die Heldin des
Stückes stieg auch wieder einmal ebenso mit dem Kopf
und den Händen, in bestimmten Tempi, an den Beinen
und Schenkeln ihres Vaters hinan, bis bald in seine
Umarmung; unglücklicherweise konnten sie damals
noch nicht einig werden, und er stieß sie endlich mit
beiden Händen zur Erde, daß sie wie ein Sack liegenblieb.
Diese Schauspielerin besaß gleichwohl noch die
meiste Kunst und, wenn ich das Wort nicht entweihe,
sogar einigen Sinn für die Kunst; allein sie blieb doch
mit den ändern auf einen Ton gestimmt. Sie hatte eine
hübsche Figur und wußte sie vorteilhaft zu zeigen; ihre
Stimme, wie ich fast durchgehends an den Holländerinnen
bemerkte, war ein tiefer Tenor. Die Mannspersonen
hatten, nach holländischer Sitte, den Hut beständig auf
dem Kopf, welches jedoch im Parterre weit unerträglicher
als auf der Bühne war. Von der Feinheit des Betragens
im Parterre ließe sich ein artiger Nachtrag zum
»Grobianus«* schreiben; ein unaufhörliches Plaudern
war das geringste, worüber ein Fremder hier in Erstaunen
geraten konnte. Die unbequeme Einrichtung der
Sitze veranlaßte manchen Auftritt, der anderwärts genau
wie eine Indezenz* aussehen würde; denn an Gefälligkeit
und Achtung, die ohne persönliche Rücksicht ihrem
Geschlecht erzeigt werden müßte, dürfen die hiesigen
Frauenzimmer nicht denken.
Ich habe über diese Erinnerungen an die mannigfaltigen
Auftritte, die wir heute mit angesehen, nicht daran
gedacht, Dir zu erzählen, wie wir hergekommen sind;
Du wirst es nicht mehr so wunderbar finden, daß ich
hier schon in die dritte Stunde schreibe, wenn Du erfährst,
daß wir die vorige Nacht ganz ruhig geschlafen
haben, während der Genius dieses wasserreichen Landes
in Gestalt eines wackern Schiffers uns sanft vom Haag
nach Haarlem führte. Der Graf B. von R. hatte uns die
prächtige Jacht verschafft, die den Bürgermeistern vom
Haag gehört. Wir fanden beim Einsteigen zwei saubere
Betten, mit allem versehen, was die verwöhntesten
Sinne von Eleganz und Bequemlichkeit verlangen können.
Kaum hatten wir uns ausgekleidet (es war gleich
nach Mitternacht), so ertönte überall in den Gebüschen
längs dem Kanal das Lied der Nachtigallen und sang uns
in den Schlaf. Am folgenden Morgen erwachten wir
eben, indem die Barke bei Hartekamp vorbeifuhr, jenem
Garten des reichen Cliffort, wo der große Linné sich so
manche botanische Kenntnisse erwarb. Es kostete einen
Wink, so ließ unser Palinurus* die Betten verschwinden.
Wir blickten auf die umliegende Gegend durch zehn
Fenster, deren jedes in einer überaus großen Scheibe
von prächtigem geschliffenem Spiegelglase bestand, und
fast schien sie uns dadurch einen besondern Grad von
Anmut zu erhalten. Der Morgen hatte Tränen im Auge;
doch kamen auch Sonnenblicke und beleuchteten die
Wiesen und Triften, die Dünen, die Meierhöfe und die
Lustgärten, zwischen denen wir mit unmerklicher Bewegung
hinschlüpften. An den Ufern bald auf dieser, bald
auf jener Seite lagen ruhig wiederkäuend die schönen
niederländischen Kühe. Schon zeigten sich die Türme
von Haarlem, als der Kapitän auf einem zierlichen Bord
von Mahagoni das silberne Teegeschirr der Herren Bürgermeister
hereinbrachte; nie hat man wollüstiger auf
weich gepolsterten Sitzen im Angesicht einer lachenden
Landschaft gefrühstückt. Vor den Toren von Haarlem
stand, unsrer harrend, ein schönes Kabriolett, mit einem
Paar unvergleichlicher Harttraber bespannt; denn B.
wollte nichts zur Hälfte getan haben. Wir verließen also
unsern lieblichen Käfig und fuhren oder flogen zwei
Stunden lang auf einem vortrefflichen Wege. Von Zeit
zu Zeit sahen wir Leute mit Schaufeln stehen, womit sie
die fast unmerklichen Fahrgeleise zuwarfen; andere