Jahr 1684 einen gewaltsamen Eingriff in diese Verfassung,
indem er den dritten Stand gänzlich von sich abhängig
machte und in politischer Rücksicht gleichsam
vernichtete, das Recht, die Magistratspersonen in den
Städten zu ernennen, dem Volk entriß und an sich zog,
also zugleich den anderen höheren Ständen furchtbar
ward. Indes besaß die Geistlichkeit zwei Drittel des Bodens
im ganzen Hochstift und war von Abgaben frei; ein
Umstand, welcher mit der behaupteten Ähnlichkeit zwischen
der hiesigen Verfassung und der englischen lächerlich
kontrastiert. Die Geistlichkeit sah also bei
ihrem sicheren Genüsse gleichgültig zu, daß die Lasten
des Volks sich täglich vermehrten. Allein der Zeitpunkt
rückte heran, wo zur Erleichterung desselben geschritten
werden mußte. Der jetzige Fürstbischof sah sich genötigt,
im vorigen Jahr (1789) eine Versammlung der
Stände zusammenzuberufen und zugleich der Geistlichkeit
für die Zukunft die Übernahme ihres Teils an den
Abgaben zuzumuten. Wiederholte Äußerungen der immer
mehr um sich greifenden Eigenmacht des Bischofs
hatten während der Zeit den Bruch zwischen ihm und
den Ständen so sehr erweitert, daß das Beispiel von
Frankreich und Brabant kaum nötig war, um eine von jenen
gewaltsamen Krisen zu bewirken, welche allenthalben,
wo es dem Despotismus noch nicht gelungen ist,
die unterjochten Völker um alle Besonnenheit zu bringen
und unter die Tierheit hinabzustoßen, früher oder
später die unausbleibliche Folge des zu weit getriebenen
Druckes ist.
Das Domkapitel sah wohl ein, daß dies nicht der Zeitpunkt
wäre, wo es sich weigern dürfte, zur Tilgung der
auf ungeheure Summen angehäuften Staatsschuld beizutragen,
und beschloß auf den ersten Wink des Fürsten,
seinen bisherigen Exemptionen* zu entsagen. Das Volk
von Lüttich aber drang bei dieser Veranlassung der
Quelle der Malversationen* näher; und um das Übel mit
der Wurzel auszurotten, forderte es die Abschaffung des
Edikts von 1684, zwang den bisherigen Stadtmagistrat,
seine Ämter niederzulegen, und ernannte seit mehr als
hundert Jahren zum erstenmal wieder neue Magistratspersonen.
Eine Veränderung von dieser Wichtigkeit, so heftig
auch die Bewegung war, die sie in den Gemütern voraussetzt,
konnte dennoch ohne irgendeine das Gefühl
empörende Tat vollbracht werden, sobald das Volk Einigkeit
mit sich selbst hatte und niemand es wagte, ihm
Widerstand zu leisten. Dies war hier wirklich der glückliche
Fall. In der Nacht vom siebzehnten auf den achtzehnten
August schrieb der Fürstbischof ein Billett, worin
er zu allem, was man vornehmen möchte, vorläufig
seine Einwilligung gab; und noch an dem Tage der
neuen Wahl begab er sich auf die Einladung einer Deputation
aus dem Magistrat von seinem Lustschlosse Se-
raing nach dem Rathause, wohin das Volk seinen Wagen
zog.
Diese Freude und der Taumel, den sie verursachte,
waren jedoch von kurzer Dauer; denn bereits am siebenundzwanzigsten
August entwich der Bischof heimlich
aus seinem Lustschlosse Seraing nach der bei Trier gelegenen
Abtei St. Maximin. Hatte er also auch zehn Tage
lang die Maßregeln seines Volkes gebilligt, die Wahl der
neuen Bürgermeister als rechtmäßig anerkannt, diese an
seine Tafel eingeladen, sie in seinem Wagen fahren lassen,
mit ihnen Rat gepflogen und den Ständen schriftlich
bezeugt, daß er um seiner Gesundheit willen verreisen
müsse, aber im Angesicht der ganzen Welt alle
Klagen, die vielleicht in seinem Namen angebracht werden
könnten, für null und nichtig erkläre: so bleibt es
doch immer möglich und wahrscheinlich, daß er zu allen
diesen Schritten durch Furcht vor unangenehmen Fol