sah. Unterwegs gesellten sich noch ein französischer
Kupferdrucker aus Lüttich und seine niederländische
Frau dazu.
Der alte Ritter hatte wenigstens seine sechzig Jahre
auf dem Rücken und war ein kleines vertrocknetes Gerippe
mit einem sauren Affengesicht und einer Stimme,
die etwas zwischen Bär und Bratenwender schnarchte
und knarrte. In seinen Zügen lag alles Eckige, Mürrische
und Schneidende von Voltaires Karikaturgesicht, ohne
dessen Satire, Risibilität* und Sinnlichkeit. Den ganzen
Tag kam der Alte nicht aus seinem verdrießlichen, kurz
abgebrochenen, trocknen Ton; nicht ein einziges Mal
schmiegten sich seine verschrumpften Wangen zu
einem wohlgefälligen Lächeln. Eine entschiedene Antipathie
wider alles, was nicht auf seinem vaterländischen
Boden gewachsen war, ein aristokratisches Mißfallen an
der unerhörten Neuerung, daß nun auch der Pöbel, la
canaille, wie er sich energisch ausdrückte, Rechte der
Menschheit reklamierte, und ein ungebärdiges Bewußtsein
seiner Herkunft und Würde, welches sich bei allen
kleinen Unannehmlichkeiten der Reise äußerte, schienen
den Grund zu seiner üblen Laune auszumachen, die
dadurch noch sichtbarer und lächerlicher ward, daß er
offenbar in sich selbst einen innern Kampf zwischen der
Lust zu sprechen und der Abneigung, sich der Gesellschaft
mitzuteilen, fühlte. Er saß da in einem kurzen,
ganz zugeknöpften Rock vom allergröbsten Tuch, das
einst weiß gewesen war und das unsere Bauernkerle
nicht gröber tragen; im Knopfloch das rote Bändchen,
auf dem Kopf eine runde, weißgepuderte Perücke und
einen abgetragenen, runden Hut mit flachem Kopf und
schmalem Rande, der ihm folglich nur auf der Spitze des
Scheitels saß, sooft er ihn auch ins Gesicht drückte. Die
Gouvernante war eine ziemlich wohlgenährte französische
Dirne mit einem wirklich nicht unebenen Gesichte,
das eher feine Züge hatte, und mit einer Taille, worüber
nur die Verleumdung dem erstorbenen Ritter einen Vorwurf
machen konnte. Sie schien ohne alle Ausbildung,
bloß durch Nachgiebigkeit und indem sie sich in die
Launen ihres Gebieters schickte, ihn doch packen zu
können, wo er zu packen war. Den ganzen Weg hindurch
disputierte er mit ihr, verwies ihr Dummheit und
Unwissenheit, belehrte sie mit unerträglicher Rechthaberei
und behielt am Ende immer unrecht. Er affektierte,
von seinen Renten zu sprechen, und zankte mit jedem
Gastwirt um seine Forderungen. Diese vornehme
Filzigkeit brachte ihn mit den Zollbeamten in eine verdrießliche
Lage. Ein halber Gulden hatte unsere Koffer
vor ihrer Zudringlichkeit gesichert; allein ob sie ihn
schon kannten oder hier ihre berüchtigten physiognomi-
schen Kenntnisse an den Mann brachten, genug, als hätten
sie geahnt, er werde nichts geben, packten sie seine
Habseligkeiten bis auf das letzte Stück Wäsche aus und
ließen ihm den Verdruß, sie unsern Augen preisgegeben
zu haben und wieder einzupacken, wofür er denn, sobald
sie ihn nicht mehr hören konnten, eine halbe
Stunde lang über sie fluchte. Durch eine ziemlich leichte
Ideenverbindung kam er auf den Finanzminister Necker
und ergoß den noch unverminderten Strom seiner Galle
über ihn: »Der Mann«, sagte er, »empfängt immer und
zahlt niemals; lebte ich nicht von meinen Renten, ich
müßte zugrunde gehen, denn meine Pension bleibt aus.«
Zu St. Trond fingen wir an, von Kokarden zu sprechen;
dies setzte ihn, der den Beutel so ungern zog, in Angst
und Verlegenheit, zumal da wir äußerten, daß man sich
leicht eine Mißhandlung zuziehen könne, wofern man
ohne dieses Schibboleth* der Freiheit sich auf den Straßen
sehen lasse. Da wir es indes doch für gut fanden,
ohne Kokarde bis Tirlemont zu fahren, beruhigte er sich
wieder. Hier aber steckten wir nach Tische die patrioti