macht, ist daher nicht der Geist, womit es ersonnen und
ausgeführt worden ist, sondern die wichtige Erfindung
der Ölmalerei, die damals in den Niederlanden zuerst an
die Stelle des so lange üblich gewesenen al Fresco trat,
wenn sie auch in Deutschland bereits weit länger bekannt
gewesen sein mag. Ich bin zwar weit entfernt, den
Koloristen einen Vorzug vor den richtigen Zeichnern
einräumen zu wollen; allein ich halte es wenigstens im
Angesicht der Meisterwerke des flämischen Pinsels für
ein gar zu hartes Urteil, die Erfindung, worauf der ganze
Ruhm dieser Schule beruht, mit Lessing um des Mißbrauchs
willen, der damit getrieben worden ist, lieber
ganz aus der Welt hinwegzuwünschen. Der Vorwurf einer
üblen Anwendung, selbst einer solchen, welche völlig
zweckwidrig ist, trifft wohl mehr oder weniger eine jede
menschliche Erfindung; und wenn es nicht geleugnet
werden kann, daß die Erlernung der beim Ölmalen erforderlichen
Kunstgriffe manchen wackern Künstler mitten
in seiner Laufbahn aufgehalten und in die Klasse der
Mittelmäßigkeit geworfen oder gar vom rechten Ziel der
Kunst entfernt hat, so bleibt es doch auch unbestritten,
daß mit Ölfarben manches unnachahmliche Bild auf die
Leinwand hingezaubert worden ist, dessen Schönheiten
bei jeder ändern Behandlung verlorengegangen wären.
Am Kolorit als solchem ist freilich so viel nicht gelegen;
aber durch die Verschmelzung der Farbenschattierungen,
welche nur ihre Vermischung mit Öl möglich machte, sind
feine Nuancen des Ausdrucks erreicht worden, wodurch
die Kunst selbst an Würde gewonnen hat und für den
Psychologen lehrreich geworden ist.
Der Wunsch, in den übrigen Kirchen, Klöstern, Prälaturen,
auf dem Rathause und in den Privatsammlungen
zu Gent den Denkmälern der flämischen Kunstepoche
nachzuspüren, mußte für jetzt der Notwendigkeit unseres
Reiseplans weichen. Mit Tagesanbruch eilten wir
durch die reichste Gegend von Flandern hierher nach
Antwerpen. Der Weg ging über eine herrlich bebaute
Ebene. Triften, Wiesen, Äcker und Heerstraßen waren
mit hohen Bäumen und Gebüschen eingefaßt; der Steindamm
war den größten Teil des Weges so gut wie im
übrigen Brabant und Flandern. Die Vegetation schien
indes kaum noch weiter vorgerückt, als wir sie in unserer
milden Mainzer Gegend verlassen hatten; die Saaten
allein prangten mit ihrem frischen Grün, und des Ölrettichs
dichte, goldgelbe Blüten bedeckten oft unabsehli-
che Strecken. Das Erdreich war an vielen Stellen leicht
und mit Sand gemischt, mithin gewissen Gattungen von
Getreide vorzüglich angemessen. Überall sahen wir den
Anbau zu derjenigen Vollkommenheit getrieben, wo bereits
der Wohlstand der Einwohner durch ihren Fleiß
hervorschimmert. Wie leicht müßte nicht hier, bei einer
bessern Erziehung des Landvolkes und gehöriger Anleitung
von seiten der Gutsbesitzer, die Landwirtschaft mit
der schwedischen und englischen wetteifern können!
Allein es ist ja alles hier gleichsam darauf angelegt, den
alten Vorurteilen einen Charakter heiliger Unfehlbarkeit
aufzuprägen. Mit Erstaunen und Freude mußten wir indes
einander bekennen, daß wir solche Flecken und solche
Dörfer, als womit dieser Weg und die ganze Gegend
gleichsam besät ist, auf dem festen Lande noch nicht angetroffen
hätten. Lokeren, St. Nikolas u. a. m. beschämen
die Städte vom dritten und vierten Range, die man
in anderen Ländern über ihresgleichen rühmt. Sie sind
beinahe Viertelmeilen lang, durchaus von Backsteinen
sauber erbaut, mit breiten Straßen, gutem Pflaster und
Reihen von Bäumen wohl versehen. Ordnung und Reinlichkeit,
die unverkennbaren Begleiter des Wohlstandes,
herrschten im Innern der Häuser, und der treuherzige
Ton der Bewillkommnung, den wir von den Einwohnern
vernahmen, bestätigte uns in der guten Meinung von