nenden, das Edelste vom Edlen, das Schönste vom Schönen
wählt, um die Kinder seiner Phantasie aus diesen erlesenen
Bestandteilen in Zauberformen zu gießen,
welche wahr in jedem einzelnen Punkt ihres Wesens
und nur, insofern der Mensch sie vereinigte, liebliche
Träume sind.
Nur das Gleichartige kann sich fassen. Diesen Geist zu
erkennen, der über die Materie hinwegschwebt, ihr gebietet,
sie zusammensetzt und schöner formt, bedarf es
eines ähnlichen prometheischen Funkens. Allein wie
viele Stufen gibt es nicht zwischen der Unwissenheit,
die an einer Bildsäule nur die Glätte des Marmors begafft,
und dem Genie, das mit unnennbarem Entzücken
die Phantasie Polyklets darin ahndet? Zwischen jenem
Landmanne, der sich scheute, die Herren auf der Bühne
zu behorchen, und dem Hochbegabten, der in der Seele
des Schauspielers von einem Augenblick zum ändern
den Ausdruck des Empfundenen von der Urteilskraft regieren
sieht? Wenn auch die allgemeine Bewunderung
einem echten Meisterwerke huldigt, so ist es darum
noch nicht ausgemacht, daß gerade das Eigentümliche,
was nur des Künstlers Geistesgröße ihm geben konnte,
den Sinn der Menge hinreißt. Wir ehren im unerreichbaren
Shakespeare den kühnsten Dichterflug und den treffendsten
Wahrheitssinn; was dem Parterre und den Galerien
in London an seinen Schauspielen die höchste
Befriedigung gewährt, dürfte leicht etwas anderes sein.
Wahrlich, wäre fremde Anerkennung des eigentümlichen
Verdienstes der einzige Lohn, um welchen der
große Künstler arbeiten möchte, ich zweifle, ob wir
dann je ein Meisterwerk gesehen hätten. Ihn muß vielmehr,
nach dem Beispiele der Gottheit, der Selbstgenuß
ermuntern und befriedigen, den er sich in seinen eigenen
Werken bereitet. Es muß ihm genügen, daß in Erz,
in Marmor, auf der Leinwand oder in Buchstaben seine
große Seele zur Schau liegt. Hier fasse, wer sie fassen
kann! Ist das Jahrhundert ihm zu klein, gibt es keinen
unter den Zeitgenossen, der im Kunstwerke den Künstler,
im Künstler den Menschen, im Menschen den
schöpferischen Demiurg* erblickte, der eins im ändern
bewunderte und liebte und alles, den Gott und den
Menschen, den Künstler und sein Bild, in den Tiefen
seines eigenen verwandten Wesens hochahnend wiederfände
- so führt doch der Strom der Zeiten endlich das
überbleibende Werk und die gleichgestimmte Seele zusammen,
die dieser große Einklang füllt und in die lichte
Sphäre der Vollkommenheit entzückt!
Auf diesen Vorteil aber, möge er viel oder wenig gelten,
muß derjenige Künstler Verzicht tun, der weder im
Materiellen arbeitet noch durch konventionelle Zeichen
sein Geisteswerk der Nachwelt überliefern kann, weil er
selbst sein eignes Kunstwerk ist, weil in seiner persönlichen
Gegenwart die Äußerung alles dessen beschlossen
liegt, was er mit eigentümlicher Sinneskraft Individuelles
aus der Natur um ihn her auffassen und mit dem lebendigmachenden
Siegel seines Geistes stempeln
konnte, weil endlich mit ihm selbst seine Kunst und
jede bestimmte Bezeichnung ihres Wertes stirbt. Der
Natur den Menschen nachzubilden, nicht bloß seine
körperlichen Verhältnisse, sondern auch die zarteren
Spuren des in seiner Organisation herrschenden Geistes
so hinzustellen, daß sie in unserer Phantasie Eingang
finden: dieses schöne Ziel der Kunst erreicht sowohl der
Dichter als der Bildner, ein jeder auf seinem beSondern
Wege. Doch den Bildern eignes Leben einzuhauchen,
ihnen gleichsam eine Seele zu leihen, die mit der ganzen
Kraft ihrer Verwandtschaft in uns wirkt: dies vermag nur
der Schauspieler, indem er seine eigenen Züge, seinen
Gang und seine Stimme, seinen ganzen Körper mit seiner
Lebenskraft in das Wesen, das er uns mitteilen will,