den. Was hatte ich auch zu befürchten in diesem
Wohnort der Gesundheit und Reinlichkeit? Unsere
eklen Sitten zeugen oft nur von ihrem grenzenlosen
Verderben. Die für lecker gehaltenen Kiebitzeier, nebst
Seefischen und Kartoffeln, machten unsere Abendmahlzeit
aus, wozu wir den Wirt seine Flasche Wein, die
übrige Familie aber gutes Bier trinken sahen. Das Schlafzimmer,
welches man uns einräumte, war zugleich das
Prunkzimmer dieser Leute. Auf allen Seiten und insbesondere
über dem Kamin waren eine Menge zierlich geschnitzter
und bemalter Brettchen übereinander befestigt,
worauf die irdene Ware von Delft, sauber und
zierlich in Reihen geordnet, die Stelle der schlechten
Kupferstiche vertrat, womit man bei uns die Wirtsstu-
bön zu verzieren pflegt.
Daß ich den ersten schönen, warmen Frühlingsmorgen
nicht vergesse, den wir auf unserer Reise noch genossen
haben, bedarf keiner Entschuldigung bei den
Vertrauten der heiligen Frühe. Könnte ich nur auch den
Reichtum der Aussicht beschreiben, die wir, von der
Morgensonne beleuchtet, aus unserem Fenster über das
kleine Gärtchen des Wirtes hinaus erblickten. Der lebendige
Strom, fast eine englische Meile breit, floß sanft
vorbei in leichten versilberten Wellen und trug auf seiner
Azurfläche das hundertfältige Leben der Schiffe, der
Brigantinen*, der Schnauen*, der kleineren Fahrzeuge
von aller Art, die hinauf- und hinabwärts- oder hinüber-
und herübersegelten und ruderten, mit mannigfaltiger
Richtung, Schnitt und Anzahl ihrer Segel, langsam gegen
die Flut an oder pfeilschnell mit Wind und Strom und
Flut zugleich sich bewegten, oder auch mit eingezoge-
nen Segeln und schwanken Masten, malerisch gebrochen
durch die Horizontallinie der Rahen und den Wald von
Tauwerk, in des Flusses Mitte vor Anker lagen. Jenseits
im Sonnenglanze erhoben sich nah und deutlich die Gebäude
von Rotterdam über dem Wasser, der große viereckige
Pfarrturm, die weitläufigen Admiralitätsgebäude,
der herrliche, mit hohen Linden auf eine Stunde Weges
besetzte Damm, der das Ufer begrenzt, die Menge zwischen
den Häusern hervorragender Schiffsmasten, die
unzähligen Windmühlen in und neben und jenseits der
Stadt, zum Teil auf hohen, turmähnlichen Untersätzen
errichtet, um den Wind besser zu fangen; endlich die
Vorstädte von Landhäusern und Gärten, die links und
rechts in langer Reihe längs dem Strome sich erstrecken!
Wir eilten, uns über den Fluß setzen zu lassen, und
brachten den Tag damit zu, die Stadt kennenzulernen
und sie ganz zu umgehen, welches einer der angenehmsten
Spaziergänge ist, die man sich denken kann. Der
Umfang von Rotterdam ist mittelmäßig, und seiner reinlichen
Schönheit und Niedlichkeit haben die Reisenden
nur Gerechtigkeit widerfahren lassen. Wenn man sich
seinen Wohnort wählen könnte, so käme die Straße am
Hafen und längs der Maas, die so breit und mit majestätischen
Ulmen und Linden so köstlich beschattet ist, gewiß
unter die Zahl der Kompetenten, die mir die Wahl
erschweren würden. Die Aussicht auf den Fluß ist wirklich
so anlockend, daß man sich kaum daran satt sehen
kann. Nach der Landseite hin bemerkten wir eine
Menge Leinwandbleichen, eine größer und schöner als
die andere, und in der Stadt selbst freute uns das Gewühl
am Hafen, auf den Straßen und in den Kanälen; abgehende,
ankommende Schiffe, hunderte von befrachteten
Kähnen, große, sogenannte Prahmen*, reihenweis
gestellt, um den Schlamm der Kanäle aufzunehmen und
sie schiffbar zu erhalten; Karren, Schleifen, Schiebkarren,
Träger, rollende Fässer, Ballen von Waren, das Zeichen
des Betriebes und der Handelsgeschäftigkeit; dann
auf der kleinen, netten Börse und in den Kaffeehäusern
umher die ein- und ausströmenden Scharen von Kauf