sagte ich, daß das Niedertreten des jungen Korns ihm
nichts schadet. Sie sah mich mit großen Augen an.
»Oui«, rief sie endlich in einem bedeutungsvollen Tone,
»la puissance de Dieu est grande!« Ich verstand und
schwieg.
Die Dörfer in dieser Gegend sind schön. Man bemerkt
zwar noch manche Lehmhütte, doch auch diese
sind geräumig und in ihrem Innern reinlich; aber fast
noch öfter sieht man Bauernhöfe ganz von Backsteinen
erbaut. Die Einwohner haben in dieser Gegend etwas
Edles und Schönes in der Physiognomie; der gemeine
Mann hat ein schönes Auge, eine große gebogene Nase,
einen scharfgeschnittenen Mund und ein rundes männliches
Kinn. Wir glaubten die Originale zu den edleren
Bildungen der flämischen Schule zu sehen. Die Frauenzimmer
zeichnen sich bei weitem nicht so vorteilhaft
aus; ich habe hier noch kein schönes angetroffen, doch
wäre dies auf einem so schnell vorübereilenden Zuge
wirklich auch zuviel verlangt. Munterkeit, Tätigkeit, mit
einem Behagen an sinnlichen Empfindungen und einer
gewissen Ungezwungenheit vergesellschaftet, schienen
mir an diesen Menschen hervorstechende Charakterzüge.
Ich spreche nur vom Volk; aber das Schicksal der
zahlreichsten Klasse hat auch den ersten Anspruch auf
den Beobachter, und wenn ich mich in meiner Prognose
nicht geirrt habe, so deuten jene Züge zusammengenommen
auf einen ziemlich glücklichen Zustand des Landvolks.
Tirlemont ist eine reinliche, gutgebaute kleine Stadt
mit vielen massiven Gebäuden, die ihren ehemaligen
Wohlstand noch bezeugen. Jetzt scheint sie von ihrer
Nahrung viel verloren zu haben; doch werden hier noch
wollene Waren, Flanelle nämlich und Strümpfe, verfertigt.
Der starke Anbau des Ölrettichs*, den man auf französisch
colsat oder colza nennt, welches offenbar aus unserm
»Kohlsaat« entstanden ist, beschäftigt hier ein
Dutzend Ölmühlen. Auf die vortrefflichen Wege, die
wir überall seit unserm Eintritt in die östreichischen
Niederlande gefunden hatten, folgte jetzt eine Chaussee,
welche bis nach Löwen in gerader Linie fortläuft
und unzerstörbar zu sein scheint. Espen, Ulmen und
Linden, oft in mehreren Reihen nebeneinander, beschatten
diesen Weg und begleiten auch an manchen Stellen
jeden Acker. Die häufigen Landhäuser und Dörfer, bald
am Wege, bald in einiger Entfernung, zeugen von der
starken Bevölkerung dieses fruchtbaren, schönen Landes,
welches sich jedoch hier immer mehr bis zur voll-
kommnen Ebene verflacht. An einigen Stellen sahen wir
die Äcker und Wiesen mit Gräben umzogen; Saatland
und Kleeäcker und Ölsamen wechselten mit den bereits
zur Sommersaat gepflügten Feldern ab. Alles was romantisch
ist, mangelt dieser Gegend; dafür zeigen sich aber
Überfluß und Kultur eines leichten, fruchtbaren, mit
Sand gemischten Bodens.
Um der Sicherheit willen versahen wir uns hier mit
der Kokarde von Brabant, die wir vielleicht noch länger
hätten entbehren können; denn so kindisch froh noch alles
in Brabant mit der neuen Puppe der Unabhängigkeit
spielt, so ist gleichwohl die erste Wut des Aufruhrs verraucht,
und man dürfte es leicht dem durchreisenden
Fremden verzeihen, daß er nicht das patriotische Abzeichen
aufsteckt. Allein um der Gefahr einer Mißhandlung
von einzelnen unbändigen Menschen nicht ausgesetzt
zu sein, ist es immer ratsamer, sich lieber nach Landesart
zu bequemen. Wir hatten überdies noch einen mutwilligeren
Antrieb, den die abenteuerliche Erscheinung
eines unserer Reisegefährten veranlaßte. Die Gesellschaft
bestand in einem alten französischen Chevalier de
St. Louis, seiner Gouvernante und einem saarbrücki-
schen Spiegelarbeiter, der wie ein ehrlicher Bauer aus