der an einer weiblichen Figur im Hintergründe sogar
den vollen Ausdruck des Schreckens, mit zurückgezogenem
Kopf und vorgespreizter Hand, zuwegebringt.
Jetzt kommen wir dem eigentlichen Schauplatz, dessen
Gewühl auch die Himmlischen beschäftigt, etwas näher.
Zwei sehr weit voneinander entfernte Zeitpunkte,
der Auferstehung nämlich und des Gerichts, hat der
Künstler hier vereinigt und in einem Augenblick zusammengerückt.
Aus dieser poetischen Freiheit, die ich
übrigens nicht tadeln will, sind bei ihm die wesentlichsten
Fehler seiner Komposition entstanden. Ganz unten
auf dem Vordergründe steigen mehrere Figuren unter
einem schweren, halb aufgehobenen Grabstein hervor,
und wie die Gerippe ihren Ruheplatz verlassen, umhüllt
sie ein neuer Körper. Ein solches Gerippe sieht man
noch zwischen den umherliegenden Erwachenden im
Dunkel der Grabeshöhle. Ineinander geschlungen und
gewunden, reicht eine Gruppe dieser Auferstandenen
von der Erde bis zum Wolkengewölbe, das den Thron
des göttlichen Richters bildet. Auf Wolken, die bis zur
Erde herabsteigen, steht oder schleppt sich diese
schwere Masse mit Hilfe einiger Engel, die da und dort
einem unter die Arme greifen, zum Himmel hinan,
links hingegen stürzt eine ebenso hoch aufgetürmte
Menschenmasse, von Michaels Blitzen verfolgt und von
ändern Engeln gewaltsam niedergedrückt, aus dem Himmel
in den Abgrund hinab, wo ein gähnendes Ungeheuer
mit offenem Rachen ihrer wartet. Ägipanische Gestalten*
mischen sich unter die Stürzenden und ziehen,
als ständen sie im Bunde mit den Engeln, ihre Beute mit
sich hinunter, reiten auf den Hoffnungslosen und umschlingen
sie mit gewaltigen Armen. Der Kontrast zwischen
beiden Gruppen ist unstreitig das Meisterhafteste
in diesem ganzen Bilde. Die Seligen drängen sich in regellosem
Streben dicht zusammen, verschränken sich
untereinander und mit den Engeln und bilden eine Pyramide
von Köpfen; nur die vordersten Figuren sieht man
ganz bis auf die Zehen, und die unterste, ein Weib (wie
man sagt, Rubens’ zweite Gattin), sitzt noch halb betäubt,
mit auf der Brust gekreuzten Armen und blickt
nach dem Grabe, aus dem sie eben erst hervorgegangen
ist. Die Verdammten hingegen fallen in der schrecklichsten
Verwirrung und Unordnung; viele strecken die
Beine hoch in die Luft, und ihre Glieder durchkreuzen
sich nach allen Richtungen. Wer nie ein anderes Werk
dieses Künstlers gesehen hätte, würde ihm hier auf den
ersten Blick das Zeugnis geben müssen, daß er es wohl
verstand, den menschlichen Körper unter allen Gesichtspunkten,
in allen erdenklichen Stellungen und Biegungen,
natürlich angestrengt oder gewaltsam verzerrt, und
immer neu und unerschöpflich an Gestalten darzustellen.
Auch das ist viel geleistet, wenn man bedenkt, wie
es mit der Kunst der Neuern überhaupt bestellt ist; die
wenigsten Maler haben es auch nur soweit gebracht. Allein
was hätte nicht ein Künstler aus eben diesem Gegenstände
geschaffen, ein Künstler mit empfänglicher
Seele, mit dichterischer Phantasie und zartem Schönheitssinne!
Nicht zu gedenken, daß die herabstürzende
Gruppe gegen alle Wahrscheinlichkeit sündigt, indem
sie früher im Himmel angelangt sein mußte, als selbst
die auserwählte Schar, um schon verstoßen zu werden,
ehe diese noch auf dem Wolkengewölbe ausgestiegen
ist: so bringt doch die Vereinigung der Auferstehung
und des Gerichtes die Unbequemlichkeit mit sich, daß
die Seligen eine zwar an sich sehr schöne, hier aber ganz
unnatürliche Pyramidalgruppe bilden müssen, welche
schon darum verwerflich ist, weil sie allen individuellen
Ausdruck schwächt und die schönen Episoden, die sich
hier dem Künstler wie dem Dichter darbieten, unmöglich
macht. Durch das Aneinanderhangen der Gestalten