suchten. Truppe, Orchester und Publikum - alles schien
uns Karikatur. Das Parkett, der Balkon und fast alle Logen
waren mit Offizieren angefüllt; denn es liegen hier
zwei Regimenter in Besatzung. Von der lärmenden Konversation,
die uns in den Ohren gellte, hat man keinen
Begriff; man hätte denken sollen, morgen würde den
Herren ewiges Stillschweigen auferlegt, und hier bedienten
sie sich zum letzten Mal der Ungebundenheit ihrer
Zunge. Sobald die Vorstellung anging, ward es noch ärger;
der ganze Schwarm sang oder heulte alle Arien der
Operette nach. Zum Glück waren die Schauspieler so
schlecht, daß es ziemlich gleichgültig sein konnte, wer
uns die Zeit vertriebe. So urteilte aber das hiesige Publikum
nicht; vielmehr schien es an dem Geplärr, den Gestikulationen
und dem ziemlich derben Scherz seiner
Histrionen großes Wohlbehagen zu finden. Ich glaube,
dieser ungebildete Geschmack bezeichnete nicht bloß
den Unterschied zwischen der Provinz und der Hauptstadt;
die Verschiedenheit der Abstammung trägt gewiß
auch das ihrige dazu bei. Die flämischen Organe sind
um einige Grade gröber als die französischen, und bekanntlich,
je roher der Mensch, desto plumper muß die
Erschütterung sein, die seine Sinne befriedigt. Mozarts
und Paesiellos Kunst wird an die Midasohren* verschwendet,
die nur für Ditters Gassenhauer offen sind.
Ebenso unempfänglich bleibt ein schlaffes ungebildetes
Publikum für das Talent eines Schauspielers, der die Natur
in ihren zartesten, verborgensten Bewegungen erforscht
und ihre Bescheidenheit nie überschreitet; wenn
hingegen der Kasperl mit lautem Beifall Possen reißt,
oder, was noch ärger ist, ein mittelmäßiger Akteur die
abenteuerlichen Verzerrungen und die schwülstigsten
Deklamationen als echte dramatische Begeisterung geltend
macht. Irre ich indes nicht, so sind die hiesigen
Einwohner von manchem französischen Nationalfehler
frei, ob sie gleich in Gesellschaft weniger glänzen; die
ungezwungene Artigkeit ihrer südlichen Nachbarn gattet
sich sehr angenehm zu ihrer eigenen Simplizität und
Bonhomie, und bildet zwischen den Flamen und Franzosen
eine Zwitterrasse, der man leicht die gute Seite abgewinnt.
Die Barke nach Fürnen geht täglich um drei Uhr nachmittags
auf dem Kanal von hier ab, durch eine ärmliche,
wenig bebaute und fast gar nicht beschattete Fläche,
über welche diesmal ein scharfer, kalter Wind hinstrich,
der uns, trotz unserer Mäntel, ganz durchdrang. Dazu
trug freilich die Gebrechlichkeit des Fahrzeuges viel bei.
Der innere Raum desselben stand voll Wasser und erhielt
den Fußboden beständig angefeuchtet; auch waren
in der Kajüte alle Fenster zerschlagen, und der Wind
hatte überall freies Spiel. Desto mehr bewunderten wir
den Fleiß unserer Gesellschafterinnen, einer reichen
Kaufmannsfrau aus Dünkirchen und ihrer achtzehnjährigen
Tochter, die in einem fort strickten. Bei dem Dorfe
Hoyenkerken befanden wir uns wieder auf flandrischem
Boden und wurden von den Zollbedienten visitiert.
Abends gegen neun Uhr traten wir zu Fümen im Stadthaus
oder vielmehr in der Conciergerie ab, welche fast
durchgehends in allen flandrischen Landstädten ein
Wirtshaus vorstellt. Wir hatten diesmal Ursache, mit unserer
Bewirtung vollkommen zufrieden zu sein, und bezahlten
die Ehre, auf dem Schlafzimmer unserer Reisegefährtinnen
zu speisen, bloß mit der geduldigen
Aufmerksamkeit, die wir ihrer Familiengeschichte widmen
mußten.
Das kleine Städtchen hatte am Morgen ein freundliches
Ansehen; die Häuser verkündigten, ihrer altmodischen
Bauart ungeachtet, einen gewissen Wohlstand,
und die Straßen waren so breit und so reinlich gehalten,
daß man es ihnen nicht anmerkte, welcher Handels