gur, der in der Mitte stehende Christus, ist wie gewöhnlich
verfehlt; er ist kalt, jüdisch und uninteressant, seine
Draperie ist schwer und ungeschickt geworfen, seine
aufgehobene Hand ruft nicht, winkt nicht, segnet nicht.
Lazarus liegt halb im Schatten, wirklich schön von Angesicht
und Gestalt; er blickt edel und seelenvoll zu seinem
Retter auf und ist ungleich besser als alles übrige
koloriert. Seine Schwester Maria sitzt an seiner Gruft im
Vordergründe. Ihr Gesicht und die ganze Figur machen
mit dem übrigen Bilde den merkwürdigsten Kontrast;
denn ihre Züge, ihre Kleidung und das ganze Kostüm
sind gänzlich aus der römischen Schule entlehnt. Man
glaubt eine Madonna von Raffael kopiert zu sehen, so
ruhig und doch so edel gerührt ist dieser schöne Kopf.
Martha und Magdalena sind dagegen hübsche Fläminnen
im kurzen buntseidenen Korsett. Petrus bückt sich,
um dem Lazarus herauszuhelfen; sein blaues Gewand
über dem breiten Rücken tut vortreffliche Wirkung. Die
übrige Gruppe von Köpfen ist gar zu gedrängt voll und
geht zu hoch in dem Bilde hinauf; auch fehlt es ihr an
Auswahl.
Du erinnerst Dich des schönen Sebastian von van
Dyck in Düsseldorf. Hier ist einer von Honthorst, der
viel Verdienst hat. Aus dem schönen Körper zieht eine
schwarzgekleidete weibliche Figur die Pfeile aus. Sehr
leicht ruht ihre Hand auf dem zarten verwundeten Körper;
aber ihr Gesicht ist ohne Ausdruck, und mit eben
den Zügen würde sie Spitzen waschen. Die Alte, ebenfalls
ein gemeines Gesicht, empfiehlt Behutsamkeit mit
Blick, Stellung und Hand. Das leidende Gesicht Sebastians
ist edel und voll unbeschreiblicher Milde; sein Auge
ist schön, sanft redend und voll Vertrauen. Die Farbengebung
ist zwar nicht ganz natürlich, aber weich und
von einem harmonischen, modesten Ton. Doch die Stellung
des angebundenen, auseinandergedehnten Körpers
zieht zuerst den Blick des Zuschauers auf sich, und man
muß in der Tat unparteiisch das Verdienst hervorsuchen
wollen, wenn dieser erste Eindruck nicht wegscheuchen
und alle nähere Untersuchung verhindern soll. Daß die
Künstler es nicht fühlen, wie diese Marter den Zuschauer
leiden läßt und wie unmöglich es ist, mit einigem
Gefühl ein solches Kunstwerk liebzugewinnen!
Übrigens hat es mir wohlgetan, hier das Studium italienischer
Meister und Honthorsts langen Aufenthalt in Italien
zu erkennen; wo ich nicht irre, habe ich schon etwas
von Michelangelo gesehen, woran mich die frei und fest
gezeichnete Figur dieses Sebastians erinnerte.
Der St. Bavo von Rubens hat mir ungleich weniger gefallen;
das Stück ist in zwei Gruppen übereinander geteilt,
wovon die unterste aus vielen ziemlich ekelhaft
durcheinandergewundenen Figuren besteht. Links im
Vordergründe stehen ein paar plumpe Dirnen von
Fleisch und Blut. Auch der Zeitgenosse von Rubens, der
um den Ruhm eines großen Künstlers mit ihm wetteifernde
Crayer, leistete mir hier kein Genüge. Unter
einer großen Anzahl von Gemälden, wovon die besten
von Seghers, van Cleef, Roose und Pourbus gemalt sind,
keines aber hervorstechende Vorzüge besitzt, halte ich
ein uraltes Stück von den Gebrüdern van Eyck noch für
nennenswert, weil es vielleicht das erste war, das in den
Niederlanden mit Ölfarben gemalt wurde. Der Gegenstand
ist aus der Offenbarung Johannis entlehnt: Die
Anbetung des Lammes. Der Komposition fehlt es, wie
man es sich von jener Zeit vorstellen kann, sowohl an
Ordnung und Klarheit als an Wirkung und Größe. Bei
aller Verschwendung des Fleißes bleibt die Zeichnung
steif und inkorrekt; Perspektive und Haltung fehlen
ganz und gar; die Farben sind grell und bunt und ohne
Schatten. So malte man aber auch in Italien vor Perugi-
nos Zeiten, und was uns dieses Gemälde merkwürdig