erhält die ganze Masse eine so überwiegende Schwere,
daß selbst das blödeste Auge sich mit der Möglichkeit,
diese Menschen je auf Wolken wandeln zu sehen, nicht
täuschen läßt. Nimmt man hinzu, daß Rubens hier, wie
in allen seinen Gemälden, die menschliche Form so materiell
und fleischig als möglich vorstellt, so steigt die
Unwahrscheinlichkeit bis auf den höchsten Punkt. Doch
es sei darum! Den Auferstandenen ist es zu verzeihen,
wenn sie in dem ersten schlaftrunkenen Augenblicke
des Erwachens gerade so sich zusammendrängen und
sich selbst das Emporsteigen erschweren; keineswegs
aber dem Künstler, der keinen besseren Augenblick
wählte oder diesen sich nicht interessanter dachte. In
diesem ganzen Keil von Menschen ist nur eine Begierde,
nur ein Drängen und Streben, hinaufzugelangen. Vergebens
sucht man hier, was diese sonst nur grausenvolle
Szene des Gerichts dem Herzen eines Menschen näher
zu bringen imstande wäre: hier ist weder die Freude des
Wiedererkennens noch der Ausdruck der göttlichen
Liebe, noch irgendeine rührende Beziehung zu sehen,
welche die Steigenden und Fallenden anders als durch
die Nebeneinanderstellung verbände; nichts, mit einem
Worte, von allen jenen Meisterzügen, womit Klopstock
sein erhabenes Gemälde von der Auferstehung im »Messias
« schmückt. Es kann wahrlich einem jeden Zuschauer
gleichgültig sein, ob die Figuren, die der Maler
hier aufsteigen läßt, wirklich in dem Himmel ankommen
oder nicht; es kann sich niemand gereizt fühlen, ihnen
nachzusteigen, sich in ihre Haufen zu drängen und Seligkeiten,
die solchen groben Geschöpfen genießbar
sind, mit ihnen zu teilen. Unter ihnen gibt es keinen
Verklärten, den man liebgewinnen, an dem man mit Bewunderung
oder mit Zärtlichkeit hangen, auf dessen
Wiedersehen man sich freuen, keinen Verdammten,
dem man das Maß seines Verbrechens und die Gerechtigkeit
des Urteils an der Stirne lesen und dessen Fall
man dennoch beweinen könnte. Ich finde zwar, indem
ich mühsam mich durch das Gewimmel der Ringenden
hindurchwühle, einen schönen Engelskopf; aber daß er
nur schön und daß es nur einer ist, gerade das erschöpft
alle Strenge des Tadels. Von dem ganz mißlungenen Michael
mag ich nichts sagen, und ebensowenig von seinen
Begleitern, die zur Unzeit in die Posaune stoßen, da
eben der Richter des Weltgerichts das Urteil spricht.
Mehr wußte also Rubens aus diesem großen Entwürfe,
den die Apokalypse selbst im erhabensten Stil der bilderreichen
orientalischen Dichtung behandelt, nicht
hervorzuzaubern? Nur diese Vorstellungen weckte der
Riesengang der Phantasie Johannis in ihm? Höher trug
ihn der Fittich des Genius nicht, wenn er das größte
Schauspiel sich dachte, das Menschen und Göttern je gegeben
werden kann? Den Augenblick, wo die ganze
Schöpfung sich zusammendrängt, sich neu organisiert,
sich verwandelt, wo das Reich des Möglichen seine
Schätze auftut und die Phantasie in ihrem Überflüsse
schwelgen läßt, wo Jahrtausende mit ihren Begebenheiten
und ihrer großen Verkettung von Ursachen und Wirkungen
sich nebeneinanderstellen, wo das Verborgene
offenbar, das Verlarvte in seiner Blöße, das große Verkannte
in göttlichem Glanz erscheint - den Augenblick
bezeichnet ihm nichts als diese zwei bedeutungsleeren,
an aller Individualität verarmten Menschenhaufen? Sind
die Schranken der Kunst hier wirklich zu eng, oder zogen
sie sich nur für das Genie eines Rubens innerhalb
ihres möglichen Umfanges in einen so engen Kreis zusammen?
Wenn ich vorhin die treue Nachfolge der Natur, welche
Rubens in den Stellungen beobachtet hat, mit einigem
Lobe erwähnte, so sollte sich dieser Beifall doch
nicht auf die Richtigkeit der Zeichnung erstrecken. In