![](./pubData/source/images/pages/page186.jpg)
Talent, und obwohl die Gebäude selbst, die hier so zahlreich
sind, nur treu kopiert werden durften, so erhöht es
doch den Wert der Gemälde und gereicht der künstlerischen
Phantasie zum Ruhme, daß sie den Gesichtspunkt
der Diagonallinie wählte, um die Einförmigkeit der parallellaufenden
Pfeiler brechen und malerische Kontraste
hineinzaubern zu können. Insbesondere gefiel mir hier
ein kleines Stück in dieser Gattung, von Flinck, wegen
der vortrefflichen Verteilung des Lichtes.
Das Kabinett des Herrn van Lancker enthält einen
noch ungleich größeren Schatz von niederländischen
Schildereien. Die Landschaften von Both, van Goyen,
Cuyp, Berchem, Wijnants, Roos und anderen, eine reicher,
niedlicher, vollendeter als die andere und jede mit
aem eigentlichen Verdienst ihrer Urheber bezeichnet,
buhlen hier um den Beifall des Kenners. Unstreitig hat
die Phantasie des Landschaftsmalers ein großes, weites
Feld: die allgemeine Lebenskraft des Weltalls, die regen
Elemente des Lichtes, des Äthers, des Wassers und der
allgebärenden Erde geben ihr das begeisternde Schauspiel
jenes größten, anbetungswürdigsten Wunders,
einer immer jungen, aus ihrer Zerstörung stets wieder
erstehenden Schöpfung. Das Verhältnis aber zwischen
der Landschaftsmalerei und ihrer älteren Schwester, der
Menschenbildnerin, scheint mir am besten dadurch bezeichnet
zu werden, daß in der einen alles schon deutlicher,
umgrenzter Gedanke ist, was in der ändern noch
unbestimmbares, zartes, ergreifendes Gefühl bleiben
muß. In der Landschaft wirken allgemeine Harmonie,
durchgeführte Einheit des Ganzen, große Kontraste,
zarte Verschmelzungen, alles aber zu einem unnennbaren
Effekt, ohne abgeschnittenen, bleibenden Umriß.
Weder Lichtmassen noch Wolken, Luft und Gewässer
noch Felsen, Gebirge und Unebenheiten des Bodens haben
beständige, ihnen angeeignete Formen; selbst
Bäume und Pflanzen sind in unendlich höherem Grad
als die Tiere der Veränderlichkeit des Wuchses und der
Gestalt unterworfen, und ihre Teile, Blüten und Laub,
verlieren sich mit ihren bestimmteren Formen in der
Entfernung, aus welcher sie dem Auge begegnen, und
fließen zusammen zu Gruppen und Massen, denen der
Künstler kaum auf dem Vordergründe die Bestimmtheit
der Natur mitteilen darf. In dämmernder Ferne hingestellt,
kommen die Urbilder schon hieroglyphisch bezeichnet
an unsere Sehorgane; um soviel mehr ist die
Bezeichnung, womit wir sie nachahmen können, in unserer
Willkür, wofern sie nur ihren Zweck, nämlich den
täuschenden Effekt jener schönen Verwirrung der Umrisse
und jenes lieblichen Licht- und Schattenspiels, hervorbringt.
Auch in dieser Gattung von Kunstgebilden
kann indes die Phantasie des Malers ihre Größe und
Stärke zeigen; auch sie ist einer edlen, dichterischen Behandlung
fähig, wenn nur das wesentliche Ziel der
Kunst, die Zusammenstellung des Schönen und die Belebung
des gesammelten oder erfundenen Mannigfaltigen
zur unauflösbaren Einheit, dem Künstler immerfort
vor Augen schwebt. Der Mangel unabänderlicher Formen
hat zwar die Folge, daß es für die Landschaft kein
bestimmtes Ideal geben kann; allein dagegen ist die Freiheit
des Künstlers desto unumschränkter; das weite
Reich des Natürlichen und Wahrscheinlichen liegt vor
ihm, und es hängt von seiner Willkür ab, gefällige Bilder,
sanfte Harmonien, erhabene Phänomene, mächtige
Bewegungen, erschütternde Wirkungen daraus zu
schöpfen.
Herr van Lancker besitzt einen sehr schönen Teniers.
Wenn die Malerei die magische Kraft hätte, die man ihr
wohl eher angedichtet hat, nicht bloß ästhetisch, sondern
auch moralisch zu wirken, so möchte man jedem
Fürsten den täglichen Anblick dieses Gemäldes wün