müßigen Volke seit mehreren Jahrhunderten im
Schwange gingen: so kann die besondere Abspannung,
die wir hier bemerkten, sich gar wohl aus natürlichen
Ursachen erklären lassen. Es ist indes nicht der niedrige
Pöbel allein, dessen Gestalt zu jener Skizze paßt; das
ganze Korps der freiwilligen Bürger, das wir täglich auf
dem Markte sehen, und dessen Glieder wenigstens bemittelt
genug sind, um auf eigene Kosten alles, was zu
ihrer Equipierung gehört, sich anzuschaffen, ja, unter
denen viele ein reiches Einkommen haben; dieses
Korps, sage ich, so schön es gekleidet ist, so eine kriegerische
Miene es macht und so viel Standhaftigkeit und
Edelmut es wirklich beseelen mag, besteht gleichwohl
durchgängig aus kleinen, schmächtigen Menschen, auf
deren Wange selten einmal etwas von einer martialischen
Farbe glüht.
Die Hauptkirche zu St. Gudula ist ein ungeheures, altes
Gebäude von ehrwürdigem Ansehen, inwendig mit
einer sehr großen Anzahl von Kapellen ausgeschmückt.
Die vornehmste, des Wundertätigen Sakraments, bot
uns den schönsten Rubens dar, den wir bis jetzt gesehen
hatten; den schönsten, ich sage es dreist heraus, den ich
von seiner Hand nicht übertroffen zu sehen erwarte.
Das Sujet, welches er sich gewählt hat, ist Christus, indem
er Petro die Himmelsschlüssel übergibt. Es herrscht
eine erhabene, göttliche Ruhe in dieser schönen Gruppe
von Köpfen, deren Kraft und Glanz so frisch ist, als wären
sie gestern gemalt. Die Farben haben einige Härte,
die man aber über dem Eindruck des ganzen nicht merkt.
Der Christuskopf ist schön und sanft, nur diesmal gar zu
still und unbeseelt. Die Künstler scheinen manchmal zu
wähnen, daß die Sanftmut des Dulders sich nicht zu innerem
Feuer gesellen dürfe, durch welches sie doch erst
ihren größten Wert erhalten muß; denn sanft sind ja
auch die frommen Tiere, die einen hier, am Unrechten
Orte angebracht, um das allegorische »weide meine
Schafe!« anzudeuten, wirklich ärgern. Die linke Hand
des Heilands ist von großer Schönheit, wie jene berühmte
Hand von Carlo Dolci in Düsseldorf. Petrus, der
sich über die rechte Hand seines Herrn beugt, ist ein
Kopf voll Hingebung, Vertrauen, Glauben und Festigkeit.
Jakobus ist alt und ehrwürdig; die ändern beiden
Köpfe, von weniger Bedeutung, dienen jedoch zur Verschönerung
der so groß gedachten Gruppe. Das Bild ist
nur ein Knie stück. Von den vielen Gemälden von
Crayer, Coxis, van Cleef, Champagne, Otto Venius und
ändern, welche die zahlreichen Kapellen dieser Kirche
zieren; von den Statuen der Heiligen, den kostbaren Altären,
den gemalten Fenstern und den Mausoleen kann
ich nach dem Anblick eines solchen echten Kunstwerks
nicht sprechen. Das wahrhaft Vollendete der Kunst füllt
die Seele so vollkommen, daß es für geringere Gegenstände
keinen Platz darin läßt.
Die St. Jakobskirche am Königsplatz, sonst auch die
Kirche vom Kaudenberg genannt, überraschte uns nach
so vielen teils gotischen, teils in einem barbarischen Geschmack
mit Kleinigkeiten und Spielereien überladenen
Kirchen, auf eine sehr angenehme Art. Ihre äußere Fassade
ist edel und groß und hat nur den Fehler, daß sie
zu beiden Seiten zwischen Häusern steckt, die zwar
nicht übel gebaut, aber doch keineswegs an ihrem Platze
sind und den übrigen Bau der Kirche verstecken. Die
Basreliefs im Fronton und über der Türe sind unbedeutend;
aber in der schönen korinthischen Architektur ist
Reichtum mit Simplizität auf die glücklichste Art verbunden.
Noch mehr gefiel mir der Anblick des Inneren
von diesem höchst regelmäßigen Tempel. Die Proportionen
der korinthischen Säulen sind untadelhaft, ihre Kapitelle
schön geschnitzt und die Dekorationen der Kuppel,
der Bogen und der Soffitten* von ausgesuchter