Brüssel
In Paris, wo das Bedürfnis, mit dem Publikum zu sprechen,
so allgemein und der leidige Autortrieb so unüberwindlich
ist, wird nach Verhältnis der Größe des Orts
kaum mehr geschrieben als während der jetzigen Periode
in den Niederlanden. Die Pressen überschwemmen
täglich die Stadt mit einer Ladung von Pamphleten
und fliegenden Blättern, die man, solange das Revolutionsfieber
währt, in allen öffentlichen Häusern begierig
verschlingt; und obgleich die herrschende Partei nur solche
Schriften duldet, die ihrer eigenen Sache das Wort
reden, so werden dennoch unter der Hand von den Kolporteuren
auch die Aufsätze der sogenannten »Voncki-
sten« verbreitet. Seitdem wir uns in Brüssel aufhalten, ist
kein Tag hingegangen, der nicht etwas Neues in dieser
Art hervorgebracht hätte; allein unter dem ungeheuren
Wust von neuen politischen Kontroversschriften, den
wir in den Buchläden ansehen müssen, gibt es auch
nicht ein einziges Blatt, das den Stempel eines höheren,
über das Gemeine und Alltägliche auch nur wenig erhabenen
Geistes, trüge. Plumpheit im Ausdruck, der gewöhnlich
bis zu Schimpfwörtern hinuntersteigt, ein
schiefer oder vollends eingeschränkter Blick, ein mattes,
oberflächliches, einseitiges, abgenutztes Räsonnement
und auf der aristokratischen Seite noch zu diesem allem
ein blinder Fanatismus, der seine Blöße schamlos zur
Schau trägt: das ist die gemeinschaftliche Bezeichnung
aller niederländischen Hefte des Tages. Der Stil dieser
Schriften ist unter aller Kritik; ein Franzose würde in
dem Schwall von Barbarismen kaum seine Sprache wiedererkennen.
Ich wüßte nicht, was hier eine Ausnahme
verdiente; gewiß nicht das Manifest der Stände von Hennegau,
das immer noch vor anderen gerühmt zu werden
verdient; nicht Linguets Verteidigung der Aristokratie,
die so schal und dürftig ist, wie der Gegenstand es mit
sich bringt; nicht die unzähligen Adressen an das Volk
und die Briefe der verschiedenen Demagogen; endlich
auch nicht die Manifeste, Edikte und Staatsschriften des
Kongresses, der Stände und ihrer Minister.
Unter dem Neuen von dieser Art, das mir eben in die
Hände fällt, ist aber eine sehr ernsthafte Vorstellung bemerkenswert,
wodurch man bei dem Kongreß auf die
Wiederherstellung des Jesuitenordens in den Niederlanden
anträgt (Mémoire à leurs hautes et souveraines
Puissances, Nosseigneurs les Etats-unis des Pays Bas
Catholiques, sur le rétablissement des Jésuites. 1790.
848 S.). Ihr Verfasser rügt die Illegalität der Prozeduren
bei der Aufhebung des Ordens und erklärt das päpstliche
Breve für nichtig und null, sowohl was das göttliche
als das natürliche, peinliche und geistliche Recht betrifft.
Diesen Satz führt er sehr weitläufig und bündig
aus; denn im Grunde ist wohl nichts leichter als der Beweis,
daß Macht und Gewalt in diesem Falle die Stelle
des Rechts vertreten haben, wie wohltätig auch immer
die Folgen für die Fortschritte der Erkenntnis gewesen
sind. Merkwürdig ist die Stelle, wo der Verfasser diesen
Ausspruch von Pius VI. anführt: »indem man die Jesuiten
zerstörte, hat man alles zerstört; diese umgestürzte
Säule ist die Hauptstütze des Heiligen Stuhls gewesen«.
Wenn diese Äußerung so gegründet wäre, als sie auffallend
ist, so hat der Heilige Stuhl in der Tat schon lange
sehr unsicher gestanden; denn dieser Orden, soviel Verdienst
auch einzelne bessere Mitglieder desselben besaßen,
war doch im Grunde, wie alle übrigen Mönchsorden,
einzig und allein auf die Dummheit der Nationen
berechnet, und sein Sturz selbst ist der überzeugendste
Beweis von der Geringfügigkeit der in ihm vereinigten