verschwindet. Männliche Schönheit glückt überhaupt
den Künstlern seltner, vielleicht weil sie wirklich seltner
ist. Winckelmann würde sagen, die vollkommenste Form
muß auch die seltenste sein. Das Kolorit dieses Stückes
hat übrigens etwas gelitten; ein Unfall, der auch einer
Venus mit dem Amor, von Tizian, widerfahren ist.
Der sterbende Gladiator mit einem Antinouskopf, der
wild aufblickt mit offenem Munde und den linken Arm
hinter sich ausstreckt, ist eine schöne, riesenhafte Figur,
deren Härte übrigens trotz dem dunkelbraunen Kolorit
ihr marmornes Urbild verrät. Ich hätte es nicht erraten,
daß dieses aus Antiken zusammengesetzte Bild einen Johannes
in der Wüste vorstellen soll, und möchte den
großen Carracci gern gefragt haben, was nun ein solches
Machwerk zum Johannes charakterisiert?
Der alte Perino del Vaga gefällt mir besser in seiner
Santa famiglia; das schönste Kind küßt eine holde, gute,
sanft duldende Mutter; Elisabeth ist alt, aber nicht widrig,
und der kleine Johannes von untergeordneter Schönheit.
Welch ein Abstich dieses Bildes aus der ältesten italienischen
Kunstepoche gegen die geschmacklosen,
hölzernen Gruppen der ersten niederländischen Künstler!
- Hier ist übrigens noch eine Madonna mit dem
Kinde, angeblich von Raffael.
Zwei Landschaften von Claude le Lorrain vereinigen
mit ägyptischen und orientalischen Gebäuden seine
Wärme, seinen Reichtum, seine Klarheit und sein Vermögen,
für die Phantasie des Zuschauers zu malen. Das
eine Stück, wo Pharaos Tochter den kleinen Moses findet,
ist köstlich; das andere aber noch viel vortrefflicher.
Die Paläste sind wahre Feenpaläste.
Zum Beschlüsse noch ein erotisches Gedicht. Amor
spielt mit einer reizenden Nymphe, die ihr Gesicht zur
Hälfte mit der Hand verbirgt, aber den lieben, schalkhaften
Blick des schönen Glanzauges so hervorstrahlen läßt
wie Sonnenstrahlen hinter dem Wolkensaum. Hingegossen
ist die ganze Figur, Grazie ihre Stellung und all ihr
Regen. Das Gewand, woran Amor zupft, ist nymphenhaft,
phantastisch und von den Charitinnen angelegt.
Ein Kolorit, so frisch wie von der Staffelei! Das lose
Mädchen errötet nicht bloß auf der Wange. Im Grase vor
ihr hebt ein buntes Schlängelchen den Kopf in die
Höhe: latet anguis in herba! Eine feine Allegorie und desto
unnachahmlicher, weil der Zuschauer sie schon
denkt, eh er noch den Wink des Künstlers gewahr wird.
Dieses Gemälde ist modern, aber seines Platzes unter
den Werken des italienischen Pinsels würdig. Es ist von
Sir Joshua Reynolds.
Wir spazierten hierauf in die Gegend, wo die berühmten
Haarlemer Blumengärten liegen. Wohl mag es wahr
sein, daß der Wind ganze Tagereisen weit die würzhaften
Wohlgerüche des glücklichen Arabiens den Schiffenden
im Ozean zuführt, da wir in diesem nördlichen
Klima schon von fern den Duft der Hyazinthen und Au-
rikeln verspürten. Es war ein warmer Vormittag; die
Sonne schien am heitern Himmel, und in ihrem Lichte
bewunderten wir die Farben der Natur, deren Pracht
und Glanz alle Nachahmung und allen Ausdruck so weit
übersteigen. Wir übersahen die ganze Fläche eines großen
Blumengartens, wo Tulpen von verschiedenen Farben
in langen Beeten miteinander abwechselten und ein
streifiges Band von Feuerfarb, Zitronengelb, Schneeweiß,
Karminrot und viele ändern Schattierungen darstellten.
Die minder glänzende Hyazinthenblüte befriedigte
das Auge fast noch mehr bei einer näheren
Untersuchung der Größe, Zahl und Gestalt ihrer Glok-
ken und ihrer mannigfaltigen Farbenstufung. Wie man
sonst einen zu großen Wert auf diesen Zweig der Gartenkunst
legte, so wird er jetzt beinahe zu sehr verachtet.
Es ist doch keine Kleinigkeit, daß der Mensch die