nur die Legende daruntergeschrieben, so wäre nichts in
der Welt so leicht zu verstehen gewesen. War es etwa
ein politischer Kunstgriff des Malers, die Geschichte nur
denen zu verraten, die das Geheimnis schon wissen?
Dieses prunkende Gemälde wird von allen Kennern
bewundert, von allen Künstlern mit tiefer Ehrfurcht angestaunt,
von allen Reisenden begafft und auf das Wort
ihres Mietslakaien gepriesen. Ich setze noch hinzu: sie
haben alle recht. Nicht nur die Ausführung eines Kunstwerkes
von solchen Dimensionen ist etwas wert, sondern
man verkennt auch an diesem Meisterwerke nicht
den Genius des Künstlers. Alles, was hier vorgestellt
wird, findet man einzeln in der Natur: solche Menschen,
solche Kinder, solche Gestalten und solche Farben. Die
Wahrheit, Leichtigkeit und Zuverlässigkeit, womit Rubens
sie, aus der Natur aufgefaßt, durch seine Hand verewigen
konnte, bilden eine künstlerische Größe, worin
er keinen Nebenbuhler hat.
Doch die größte Überlegenheit des Künstlers besteht
darin, daß er zur Verfertigung dieses großen Gemäldes
nur sechzehn Tage bedurfte. Erwägt man den Grad der
Tätigkeit und des Feuers, der zu dieser erstaunlichen
Schöpfung gehört, so fühlt man sich geneigt, ihr alle ihre
Gebrechen und Mängel zu verzeihen.
Hier breche ich ab. Es gibt noch unzählige Gemälde,
sowohl in Kirchen als in Privatsammlungen, wovon ich
nichts gesagt; es gibt sogar viele, die ich nicht gesehen
habe. Allein von dieser Probe läßt sich ein allgemeines
Urteil über den Geist und Geschmack der flämischen
Schule abstrahieren.
Antwerpen
Wie froh ich bin, daß unsere Pferde nach Rotterdam nun
endlich auf morgen früh bestellt sind! Ein längerer Aufenthalt
unter diesen Andächtlern könnte wirklich die
heiterste Laune vergiften. Noch nie habe ich die Armut
unserer Sprachen so tief empfunden, als seitdem ich hier
von den Menschen um mich her mit den bekanntesten
Wörtern eine mir ganz fremde Bedeutung verbinden
höre. Man liefe Gefahr, gesteinigt zu werden, wenn man
sich merken ließe, daß die Freiheit noch in etwas anderem
bestehen müsse, als van der Noots Bildnis im
Knopfloche zu tragen, daß Religion etwas mehr sei als
das gedankenlose Gemurmel der Rosenkranzbeter. Die
traurigste Abstumpfung, die je ein Volk erleiden konnte,
ist hier die Folge des verlornen Handels. Selbst im Äußern
zeigt die hiesige Rasse nichts Empfehlendes mehr.
Am Sonntage sah ich in den verschiedenen Kirchen über
die Hälfte der Einwohner versammelt, ohne nur ein Gesicht
zu finden, auf dem das Auge mit Wohlgefallen geruht
hätte. Leere und Charakterlosigkeit, die in Brabant
überhaupt so durchgehend herrschen, äußern sich hier
in einer noch unschmackhafteren Gestalt als anderwärts;
und nicht einmal eine Varietät in der Kleidertracht zieht
die Aufmerksamkeit von dieser Ausartung der menschlichen
Natur hinweg. Mit dem gehemmten Geldumlauf
mußte die Industrie zugleich ins Stocken geraten, und
außer einigen Salz- und Zuckerraffinerien, einer Sammetfabrik
und ein paar Baumwollmanufakturen enthält
diese große Stadt keine hinreichende Anstalt, um die
Hände der geringen Volksklasse zu beschäftigen. Die
schönen, breiten Straßen sind leer und öde, wie die zum
Teil sehr prächtigen, massiven Gebäude; nur an Sonn