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tet ist und Spanien und Portugal durch Piaster und Diamanten
weder reich noch mächtig werden können, blüht
Englands Handel überall, umfaßt alle Weltteile und hat
seit dem heilsamen Verlust der Kolonien einen unglaublich
großen Zuwachs erhalten. Diese bewundernswürdige
Tätigkeit ist so augenscheinlich das Resultat der
bürgerlichen Freiheit und der durch sie allein errungenen
Entwicklung der Vernunft, daß selbst die äußerste
Anstrengung der Regierungen in anderen Ländern, dem
Handel aufzuhelfen, bloß an den Gebrechen der Verfassungen
hat scheitern müssen. Was ein Monarch für die
Aufnahme des Handels tun kann, hat Jospeh II. hier
großmütig geleistet. Der Hafen von Ostende ist ein
Denkmal seiner tätigen Verwendung für die Wohlfahrt
der Niederlande; doch Vernunft und vernünftige Bildung
konnte die Regentenallmacht nicht schaffen; das
Gefühl von eigener Kraft und eigenem Wert, das nur
dem freien Menschen werden kann, vermochte selbst Joseph
nicht heraufzuzaubern.
Ostende ist übrigens nur ein schlechter Ersatz für die
geschlossene Schelde. Die Küste läuft in gerader Richtung
ohne Einbucht fort, und der Zugang zu dem Hafen
wird durch viele Untiefen erschwert und unsicher
gemacht. Zwischen zwei Dämmen sieht man die kleine,
enge, unbequeme Öffnung, die nur bei gewissen Winden
und nur mit der Flut zugänglich ist. Daher steht am
Eingang, auf der Batterie, die ihn bestreicht, ein hoher
Flaggenstock errichtet, wo man eine Flagge ganz zuoberst
wehen läßt, solange es hohes Wasser ist; bei halber
Ebbe läßt man sie am halben Stocke herunter, und
sobald das Wasser den niedrigsten Standpunkt erreicht,
wird sie ganz eingezogen. Alsdann liegen die Schiffe
beinahe trocken im Hafen. Wir zählten in allem nur vierzig
Fahrzeuge, obgleich der Hafen eine weit größere Anzahl
aufnehmen kann. Eigentlich ist er nur ein tief ausgegrabener
Kanal mit einem dauerhaften pilotis* zu
beiden Seiten, zwischen welchem ein festes Geflecht
von Strauchzäunen in vielen Reihen übereinander fortläuft.
Dadurch sucht man zu verhindern, daß die Ebbe
und Flut den Hafen nicht versande, indem sie den Sand
vom Ufer mit sich fortreißt. Über jeder jetée stehen Baken
aufgepflanzt, und links an der Mündung des Hafens
dient eine Säule mit großen, klaren Laternen des Schiffenden
des Nachts zum Merkzeichen. In den Hafen öffnen
sich mehrere geräumige Bassins; allein bei allen diesen
kostbaren Einrichtungen kämpft man vergebens mit
den Schwierigkeiten der Lage, mit der geringen Tiefe,
mit der unvermeidlichen Verschlämmung und mit der
Veränderlichkeit der Sandbänke längs der Küste.
Ostende hatte nur einen glänzenden Augenblick; den
nämlich, als es der einzige neutrale Hafen an der Küste
war, als während des amerikanischen Krieges England,
Frankreich und Holland wechselseitig ihren Handel der
feindlichen Kaperei preisgeben mußten und des Kaisers
Flagge allein unangefochten den Ozean beschiffte. Die
Geschäftigkeit und der Wohlstand jenes Zeitpunktes
verschwanden aber mit dem Friedensschlüsse um so
plötzlicher, da sie nicht sowohl Wirkungen der eigenen
belgischen Betriebsamkeit als vielmehr täuschende Erscheinungen
waren, welche fremde Kaufleute hier zuwege
gebracht hatten. Auch die freie Schiffahrt nach
Ostindien, welche Joseph II. diesem von ihm so sehr begünstigten
Hafen trotz der holländischen Reklamation
zusicherte, blieb so unbedeutend, daß sie auf den Flor
von Ostende keinen Einfluß hatte.
Wir fuhren zu Lande nach Brügge. Bis an das Dorf
Gessel sieht man immerfort jene kahle Fläche, die mit
wenig Abwechselung für das Auge von den Dünen bis
an die etwas höher gelegene Ebene von Flandern reicht.
Zwischen Gessel und Jabick wechseln große Strecken